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Michendorf: Abschied vom Oldie

Die Wilhelmshorster Feuerwehr hat sich nach 18 Jahren von ihrem Tatra verabschiedet Wegen des Löschfahrzeuges kam es einst zu einer mehrjährigen Auseinandersetzung mit der Gemeinde.

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Michendorf - Er zählte zu einem der am meisten geschätzten Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Wilhelmshorst: der Tanklöschwagen Tatra. Nach 18 Jahren im Michendorfer Ortsteil wurde er bei einer Feier am Freitagabend ausgemustert. Jahrelang hatten die Kameraden vorher für das Auto gekämpft und sich auch mit der Michendorfer Verwaltung angelegt.

In die Gemeinde kam das 1986 gebaute Fahrzeug im Jahr 1999. Bei einem großen Waldbrand hatte sich gezeigt, dass sich das bisherige Fahrzeug der Ortswehr für manche Einsätze nicht eignete. Also machten sich die freiwilligen Feuerbekämpfer auf die Suche nach einem Tanklöschfahrzeug. Ein Neuwagen war zu teuer. Da entdeckten die Wilhelmshorster eine Anzeige der Potsdamer Berufsfeuerwehr, die einen Tatra aus ihrem Fuhrpark verkaufen wollte. Gemeinsam mit dem Förderverein und dem damaligen Amt Michendorf kauften sie ihn noch im gleichen Jahr.

„Der Tatra war total verrostet, die Schaummitteltanks waren vergammelt und er hatte noch Stahltüren statt der Jalousien“, erzählt Feuerwehr-Chefin Doreen Weber. „Unsere Jungs haben dann selbst Hand angelegt und nächtelang geschraubt, geschweißt und lackiert. Manchem Kameraden wurde sogar mit Scheidung gedroht, weil er mehr in der Wache als zu Hause war“, sagt Weber lachend. Auch eine örtliche Firma half bei der Reparatur, im Jahr 2000 war das Auto dann einsatzbereit.

Eine der größten Herausforderungen für Kameraden und Tatra war im Jahr 2009, als 27 Kilometer Strecke der Bahnlinie Berlin-Wiesenburg brannten, an der auch Wilhelmshorst liegt. Grund für den Großbrand war durch eine feste Zugbremse entstandener Funkenflug. Selbst die schwierigen Löscharbeiten an der teilweise fünf Meter hohen Böschung bewältigte der Tatra spielend, erzählt Weber. Rund 34 000 Liter Wasser pumpte er dabei auf das Feuer. Aber nicht nur im Ernstfall, auch bei Festumzügen und Feuerwehrtreffen machte er stets eine gute Figur. „Bei solchen Ereignissen präsentiert man immer was Besonderes. Und der Tatra war immer ein Blickfang“, so die Wehrführerin.

Ein Dorn im Auge war das Fahrzeug allerdings der Gemeindeverwaltung. 2008 kam es zu einer mehrjährigen gerichtlichen Auseinandersetzung der Gemeinde Michendorf mit der Ortswehr. Die Michendorfer Verwaltung und die Gemeindewehrführung wollten ein neues Fahrzeug anschaffen, das statt der 8000 Liter des Tatra nur einen 1000-Liter-Löschwassertank haben sollte, dafür aber Platz für mehr Menschen böte. Die Wilhelmshorster verweigerten vehement die geforderte Ausmusterung. In der Folge drohte der Ortswehrführung sogar der Ausschluss aus der Feuerwehr. „Wir hatten damals einen W50, der immer Öl verlor“, erklärt Doreen Weber. „Als der dann ausgemustert werden sollte, sollte gleichzeitig auch der Tatra weg. Aber dafür gab es überhaupt keinen Anlass.“

Ein weiteres Mal stand der Tatra 2012 vor dem Aus. „Die Gemeinde bot uns als Ersatz für den Tatra einen Mannschaftstransportwagen an“, sagt die Wehrführerin. „Aber der hätte uns gar nichts genützt, deshalb haben wir abgelehnt. Und da weiterhin nichts gegen den Tatra sprach, konnten wir die Ausmusterung auch verhindern.“ Inzwischen sei das Auto aber einfach in die Jahre gekommen. „Zumal das Land Brandenburg klare Richtlinien vorgibt, wann was auf den neuesten Stand gebracht werden muss“, sagt die Wehrführerin. Trotzdem seien über den Verlust des Tatra alle Kameraden traurig.

Einer, dem der Abschied besonders nahegeht, ist Maschinist Martin Lautenschläger. „Ich bin jetzt seit 20 Jahren bei der Feuerwehr“, erzählt der 35-Jährige. „Mit dem Tatra bin ich groß geworden. Da wächst einem so ein Wagen schon ans Herz.“ Auch abseits aller Nostalgie habe der Tatra handfeste Qualitäten, die ein Neuwagen wahrscheinlich nicht bieten könne. „Die Technik des Tatra ist inzwischen 30 Jahre alt, aber sie war ihrer Zeit weit voraus“, sagt Lautenschläger. „Selbst heutigen Fahrzeugen ist sie teilweise überlegen.“ Zum einen fahre sich der Tatra selbst in unwegsamem Gelände problemlos. Zum anderen sei er einfacher gebaut und damit weniger anfällig als neue Fahrzeuge.

Die Wilhelmshorster haben aber genau geschaut, wer ihnen das Löschfahrzeug abkauft. „Wir wollten, dass er in gute Hände kommt und nicht als Ersatzteillager endet“, so Doreen Weber. Wahrscheinlich kehre er nun in seine tschechische Heimat zurück. Dort soll er wieder in den aktiven Feuerwehrdienst gestellt werden.

Stefan Kahlau

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