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DasWAR’S: Abwärts im Olympiastadion

DasWAR’S Wie Peter Könnicke an den Spielfeldrand gelangte Als ich das erste Mal in einem Fußballstadion stand, war ich neun Jahre alt. Stahl Riesa spielten gegen den BFC und der verhasste Mielke-Club gewann 2:1.

Stand:

DasWAR’S Wie Peter Könnicke an den Spielfeldrand gelangte Als ich das erste Mal in einem Fußballstadion stand, war ich neun Jahre alt. Stahl Riesa spielten gegen den BFC und der verhasste Mielke-Club gewann 2:1. Als das Spiel zu Ende war, sangen die Riesaer Fans, dass man den Schiedsrichter aufhängen sollte. Ich hatte keine Ahnung wieso, mitgesungen habe ich trotzdem. Blöderweise habe ich davon zu Hause erzählt und Fußball wurde gestrichen. Der Platzverweis ist längst verjährt. Erst vor drei Wochen war ich im Berliner Olympiastadion. Hertha spielte gegen Gladbach und Herthas Trainer früher beim BFC. Doch das war es nicht, weshalb ich mich an Riesa erinnert fühlte. Ich hatte eine Karte als Fotograf und konnte direkt neben dem Spielfeld stehen. Der Weg dorthin führt vom Unterring des Stadions über eine Pressetreppe runter in die Katakomben. Man geht durch eine schmale Stahltür und steht unmittelbar vor einem Treppenschacht. Die Pressetreppe schien endlos. Immer wieder kam ich an Türen vorbei, an denen ich nicht wusste, ob ich sie öffnen darf. „Für Gäste“, stand auf einer. War ich Gast? Eine Etage tiefer war der Hinweis eindeutiger: „Spielerkabinen“. Es war ganz offensichtlich nicht der Haupteingang zu den Umkleidekabinen. Eher ein Hintertürchen. Vielleicht würde ich gerade Marcelinho erwischen, wie er sich die Oberschenkel zentimeterdick mit Finalgon einreibt, damit er draußen auf dem Platz nicht so friert. Oder ich würde beim Schiedsrichter landen und lauschen, wie er Hertha-Manager Dieter Hoeneß erklärt, dass er die Einladung zur Vereinsweihnachtsfeier leider nicht annehmen kann. Später hätte sich das rein meiner Fantasie entsprungene Angebot des Managers als völlig unnötig erwiesen: Hertha gewann locker mit 6:0. Ich schlich weiter. Die blanken Betonwände rochen nach dem frisch sanierten Stadion. Irgendwie wirkte alles unfertig und ich dachte daran, wie ich als Kind Verstecken in den halbfertigen Plattenbauten spielte, die im Stadtteil Weida der Stahlwerkerstadt Riesa gebaut wurden. Einmal hatte ich mich in einem Plattenbaukeller eingesperrt: Die Tür zu einem Heizungsraum fiel hinter mir zu. Sie war neu, noch ohne Klinken. Ich saß in meinen Versteck und heulte, weil ich nicht gefunden wurde. Stunden später befreite mich der Hausmeister. Nicht das ich panisch wurde, als die Treppe kein Ende nahm. Doch ich atmete auf, als ich endlich im Freien stand und einen halben Meter über mir der Rasen leuchtete. Dieter Hoeneß ging gerade vorbei. Wie ein Hausmeister im Anzug.

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