Von Tobias Reichelt: Abwracken leicht gemacht
Teltows Fahrradprämie gerät in Vergessenheit: 100 Prämien sind abzuholen, Harry Winkelmann war der 46.
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Teltow - Mit Schweißperlen auf der Stirn betritt Harry Winkelmann das Teltower Rathaus. Die Tour mit seinem alten Fahrrad bis hierher war anstrengend, zumal bei der Hitze. Bei jedem Tritt in die betagten Pedalen hat das klapprige Rad laut gequietscht. „Da funktioniert so gut wie nichts mehr dran“, sagt der Teltower Taxifahrer, als er den Drahtesel die Rathausstufen hinaufschleppt. „Den Dreck habe ich auch dran gelassen“ – egal, für die Abwrackprämie von 50 Euro ist das 15 Jahre alte Rad gerade noch gut genug. Das blaue Mountainbike mit dem roten Schriftzug ist das 46. Fahrrad, das in Teltow abgewrackt wird.
Schon seit Oktober 2009 können die ersten 100 Teltower bei Kauf eines neuen Fahrrads in der Stadt für ihren alten Drahtesel 50 Euro aus dem Stadtsäckel erhalten. Der erhoffte Ansturm auf die Fahrradprämie blieb bislang aber aus – noch nicht einmal die Hälfte aller Prämien sind vergeben. Selbst zu Beginn der Fahrradsaison steigerte sich die Nachfrage nur langsam. Zurzeit landen etwa ein bis zwei Anträge pro Woche im Rathaus. Erstaunlich wenig, dabei wird das Abwracken hier so leicht wie möglich gemacht.
Das Prinzip ähnelt der bekannten Auto-Abwrackprämie: Einfach neues Fahrrad – Trekking-, City- oder Kinderrad – in Teltow kaufen und mit dem Beleg, einem Ausweis und dem alten Rad im Bürgerservice des Rathauses melden. Ist das alte Rad fahrbereit, der Ausweis aktuell und die Quittung okay, wird das Geld überwiesen. Das Rad bleibt beim Rathaus. Es wird gespendet und in Kleinmachnow von der Union Sozialer Einrichtungen wieder aufgearbeitet.
„Da gab es noch nie irgendwelche Probleme“, sagt Kerstin Gottschalk, die freundliche Dame am Schalter des Teltower Bürgerservice. Sie ist es, die Harry Winkelmann ohne Wartezeit begrüßt und sofort sein altes Fahrrad in Augenschein nimmt. „Es muss fahrtüchtig sein“, sagt Kerstin Gottschalk. Einmal habe sie auch schon ein Rad mit Platten durchgehen lassen – „solange weiter nichts ist.“ Auch Winkelmanns Rad wird abgewrackt. Der Dreck stört nicht. „46 Räder, das ist nicht gerade viel“, sagt Gottschalk, während sie den einseitigen Antrag ausfüllt. „Wenn mehr Leute von der Fahrradprämie wissen würden, dann wäre die 100 Anträge bestimmt schon weg“, meint sie und stempelt Harry Winkelmanns Formular ab. Nach weniger als zehn Minuten ist alles fertig.
Gerade 199 Euro hat Winkelmann für sein neues Fahrrad in einem Teltower Baumarkt gezahlt. „Nabendynamo, Federgabel, Federsattel, Licht und ein moderner Lenker“, zählt er auf. An dem Rad ist alles dran und dazu gibt die Stadt jetzt 50 Euro Rabatt. „Das ist ein Schnäppchen“, sagt Winkelmann – nur im Baumarkt hatte ihn niemand auf die Abwrackprämie hingewiesen. Merkwürdig finde er das. Erst ein Kollege hatte den Taxifahrer auf die Prämie aufmerksam gemacht. Drei Räder habe der schon abgewrackt, berichtet Winkelmann.
Dass eine Familie gleich drei Räder abgibt, ist ungewöhnlich, sagt Kämmerer Rico Kasten. Der Finanzchef wacht im Rathaus über die Abwrackprämie. Viel Arbeit hatte er damit nicht. Immerhin: Inzwischen sei man bei „schon 46 Rädern“. Das Glas ist halb voll. „Wir wissen auch nicht, woran es liegt“, sagt Kasten und lässt eine Gedankenpause. Man wolle die Prämie jedenfalls vorerst nicht abschaffen, bewerben aber auch nicht. „Wir haben einen Auftrag und der lautet, 100 Räder abzuwracken“, sagt er dann.
Teltows Fahrradhändler Holm Rolof ist sich sicher: „In diesem Jahr klappt das bestimmt nicht mehr.“ Roloff ist der einzige Fahrradfachhändler in der Stadt. Seit Start der Prämie stellt er jeden Tag das passende Werbeschild vor seinen Laden. „Ich habe schon überlegt es zu lassen“, sagt er. Ein Angestellter des Rathauses habe ihn aber umgestimmt. Immerhin haben viele der Teltower Abwrackler bei Roloff ihr neues Rad gekauft. Etwa 75 Prozent, schätzt er. Dennoch: „Das ganze mit der Prämie ist suboptimal gelaufen“, sagt Roloff. Vielleicht hätte man das Geld lieber in neue Radwege investieren sollen, denn die Teltower seien nicht gerade die begeistertsten Fahrradfahrer.
Harry Winkelmann hat mit seinem neuen Rad sehr wohl eine alte Leidenschaft wieder entdeckt. Er schwingt sich gerne auf das neue Rad, um kurze Strecken zu überwinden. Vielleicht geht es mit dem neuen Rad hoch bis zur Ostsee – bis dahin hatte es das alte schließlich auch geschafft. Allerdings: „Da lag es im Auto.“
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