KulTOUR: Akte und fliegende Kartoffeln
Heute und morgen öffnen zahlreiche Ateliers ihre Türen - auch das Atelier Puschmann in Saarmund
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Nuthetahl - Die ein- oder zweimal im Jahr geöffneten Ateliers sind eine herrliche Erfindung. Wo man sonst beim Vorbeifahren lediglich die Schemen anonymer Häuser und Tore wahrnimmt, öffnen sich an diesem Wochenende die Pforten, man betritt ganz eigene Welten, voller Wunder. In der Saarmunder Alleestraße wohnt seit 1981 der Restaurator und Maler Werner-Paul Puschmann mit den Seinen. Schon Tage zuvor lädt ein Schild neben dem roten Briefkasten zum Besuch am Wochenende. Auf dem weitläufigen Gelände ist der Rasen gemäht, eine Weide neben dem Froschteich grünt heftig, Apfelbäume stehen kurz vor der Blüte. Auch die ausgebaute Scheune, Atelier und Depot seiner Bilder, wirkt wie eine blankgeputzte Referenz. Es gibt viel zu sehen.
Zuerst drängt unverhohlen eine Serie junger Tänzerinnen ins Auge, mit hochgeschürzten Röckchen, nix drunter. Andere Akte, Stadt- und andere Landschaften, etwa die schönen Nuthe-Wiesen, Miniaturen. Daneben kleine Kopien erotischer Szenen aus dem alten Pompeji in der alten Faß-Technik (von fassen) gefertigt, das sind Aquarelle auf Kreide gemalt, dann mit Achat poliert.
Malen sei ihm Bedürfnis, sagt Puschmann: „Wo eine Fläche ist, da muss Farbe drauf". Alles Mögliche, nur kein Acryl, denn so würden die Tönungen künstlich und immer etwas milchig. Viele Aquarelle auf Kreide also, einiges in Öl. Manchmal stellt er aus, manchmal verkauft er. Da es so viel nicht ist, hat er zum Wochenende preiswerte Drucke seiner Arbeiten vorbereitet und auch seines Freundes und Malerkollegen Eberhard Kyntschl gedacht: gegenüber der Tür findet man dessen Werke in Holz.
Antonio Carretta stammt vom mittleren Teil der Sohle des italienischen Stiefels, aus der Basilicata. Seit etwa einem Jahr ist Potsdam sein „Lebensmittelpunkt“, aber das Atelier befindet sich auf einem großen Bauernhof in Rehbrücke. „Holz, Licht, Farbe“ steht auf der Visitenkarte. „Ich habe immer mit Holz gearbeitet", sagt der zierliche Mann, sich für sein „anstrengendes Deutsch“ entschuldigend.
Während andere in den Süden hetzen, um dort das besondere Licht zu ergründen, hält er es umgekehrt. Er malt eine sattgrüne Wiese im Park Babelsberg vor dem Schatten düsterer Bäume. Der fast schwarze Hintergrund fasziniert ihn genauso wie das üppige Grün hier, das befremdlich viele Wasser. Er malt die Motive seiner Heimat, knorrige Ölbäume, Hügellandschaften grün, bevor sie die Sonne verdorrt, aus der Erinnerung. Sein Stil ist ganz eigen, oft dunkel, wenn er Narzissen oder abgeblühte Sonnenblumen malt.
Was am Sonntag in der Schlüterstraße 3 zu entdecken ist, hat er allesamt in Potsdam gemacht. Carretta signiert mit einer Schnecke, Symbol und Mahnung, seine Sachen langsam entstehen zu lassen: „Der Farbauftrag ist das Letzte, zuvor muss viel nachgedacht werden“. Er will keine „industrielle“ Bildproduktion, er will Werke mit Seele. Auch Werke zwischen Traum und Wirklichkeit: Hochformate zeigen einen azurnen Himmel „mit immer anderen Wolken“. Mal ist ein Schaf darunter, mal fliegen Äpfel in ihm herum. Und manchmal sind seine Wolken auch fliegende Kartoffeln.
Weitere Informationen zum Tag des offenen Ateliers auf der Seite 10.
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