DasWAR’S: Alle Jahre wieder
Was Peter Könnicke über Kreisläufe denkt
Stand:
Vor ein paar Tagen fragte mich ein Kollege, was in diesem Jahr die erste Schlagzeile in den Zeitungen war. Zuvor hatte er die Frage in einer Runde großer Medienmacher gestellt. Keiner wusste es.
Ich hab eine Weile überlegt. Tsunami? War schon vor zwei Jahren. Eine Ruckrede? Gab es diesmal nicht, angeblich ruckt es aber trotzdem. Mehrwertsteuer? Gesundheitsreform? Oder war es Keith Richards von den Stones, dem eine Kokusnuss auf den Kopf gefallen war. Aber das war erst später im Jahr und nicht wirklich wichtig, sonst hätte Sabine Christiansen am Sonntagabend Claudia Roth von den Grünen und Dieter Birr von den Puhdys gefragt: „Wie erbarmungslos schlägt die Natur zurück?“
Man muss nur Geduld haben, dann kommen die Antworten von ganz allein. Alles kommt wieder. Neulich habe ich einen alten Bekannten getroffen, mit dem ich früher viel unterwegs war. Als die Wende uns an eine Unmenge von Kreuzungen brachte, fuhren wir ein letztes Mal zusammen in den Urlaub nach Ungarn, bevor sich unsere Wege trennten. Auf einem Schwarzmarkt ließen wir uns falsche Forint andrehen und mit dem alten BWW – ein solcher musste es nach der gewonnenen Freiheit schon sein – blieben wir mitten in der Puszta liegen. Motorschaden! Wir ließen die Karre irgendwo in der ungarischen Pampa zurück. Jetzt haben wir uns zufällig beim Italiener getroffen, wir tauschten unsere Handynummern aus und meinten, dass wir uns bald mal treffen sollten. Sicher passiert das, in ein paar Jahren. Vielleicht beim Griechen.
Alles kommt wieder. Jahrelang bin ich mit ostigen, kackbraunen Tainingsanzügen rumgerannt, die an den Knien so ausgebeult waren wie Axel Schulz nach einem Comeback. Dann bekam ich hochglänzende Adidaswäsche in hellblau und war glücklich. Heute bekommt man davon Augenkrebs. Als ich neulich meine Eltern besuchte, fand ich in meinem alten Schrank einen dieser braunen Trainigsanzüge - oder besser zwei Hosen und eine Jacke. Was soll ich sagen, ich trag das Zeug wieder. Axel Schulz ist ja im Prinzip auch kein schlechter Kerl.
Und so dreht sich alles im Kreis. Letztes Jahr schimpfte man, das Kleinmachnower Rathaus sei zu groß, jetzt klagt man, das neue Altenheim ist zu lang. Und nächstes Jahr wird es heißen, der Bürgermeister ist größenwahnsinnig. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Kommen und gehen. Wie die Vögel. Genau! Die erste Schlagzeile in diesem Jahr: Tote Vögel fielen vom Himmel und panisch wurde alles weggesperrt, was Federn hat, sogar Kopfkissen und Bettdecken. Übermorgen kommen die Enten und Gänse auf den Tisch, etwas mager vielleicht, aber sie sind da wie ein Naturgesetz. Und im Januar kriegen wir alle wieder Vogelgrippe. Bis dahin: Frohes Fest!
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