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Meisterausbildung der Handwerkskammer Potsdam: Alles andere als meisterhaft
Elf Tischlergesellen sind empört über das Chaos bei einem Meisterkurs der Handwerkskammer. Die rechtfertigt sich mit zwei abtrünnigen Dozenten, doch die Kursteilnehmer bleiben bei ihrer Kritik
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Götz / Potsdam - Sie sind durchweg gestandene Handwerker, arbeiten seit Jahren in kleinen Tischlereien oder sind sogar selbst Inhaber von Handwerkerbetrieben. Sie wollten beruflich weiterkommen, frei nach dem Slogan der Handwerkskammer „Nimm deine Zukunft in die Hände“. Doch was ein Dutzend Tischlergesellen zurzeit bei ihrer nebenberuflichen Meisterausbildung in Götz erleben, hat sie überrascht: 4200 Euro haben sie für den ersten Teil ihrer Ausbildung hingelegt, haben in ihrem Berufsalltag längst gelernt, dass man für gutes Geld gute Arbeit abzuliefern hat. Im Ausbildungszentrum der Handwerkskammer in Götz haben sie einen anderen Eindruck gewonnen, sagt Felix F.*.
Von Beginn an habe man den roten Faden im Lehrgang vermisst, den die Teilnehmer freitags und samstags nebenberuflich absolvieren. Vielmehr gehe es chaotisch zu, seien zwei der vier Dozenten im April und Mai plötzlich nicht mehr aufgetaucht, seien 55 der 730 Unterrichtseinheiten ausgefallen. Anfangs habe es geheißen, dass die Ausbilder krank seien. „Erst auf unsere wiederholten Nachfragen sagte man uns, dass sie den Job quittiert hatten“, so Robert S.*.
Eindruck der puren Verzweiflung
Schon zuvor habe ein Dozent nicht gewusst, was beim anderen passiert. „Themen wie Plattenwerkstoffe sind mehrmals unterrichtet worden“, sagt Felix F. Stoff aus der Lehrausbildung, etwa Schneidkeile am Stecheisen, sei aufgewärmt worden, während andere meisterliche, mathematische, physikalische Themen und Kalkulation sowie Rechnungslegung deutlich zu kurz gekommen seien, so Robert S.. Als endlich personeller Ersatz da war, habe man den Eindruck der puren Verzweiflung gehabt, sei es stofflich ganz bergab gegangen. „Die neue Dozentin kam völlig unvorbereitet, hat sogar eingeräumt, keine Zeit für uns zu haben“, so Felix F. – und habe teils nur zwei von sieben Stunden unterrichtet.
„Das Niveau ist alles andere als meisterhaft, die ganze Ausbildung ist eine Enttäuschung“, meint auch Kursteilnehmer Sascha P., der eine Tischlerfirma hat. „Was wichtig ist, um einen Betrieb zu führen, wird nicht vermittelt.“ Stattdessen würden alte Kamellen aus der Berufsausbildung aufgewärmt. „Alle sind ziemlich enttäuscht.“ Ihre wirklichen Namen wollen die Gesprächspartner nicht in der Zeitung lesen, die Meisterprüfungen stünden schließlich noch bevor und sie hätten keine Ahnung, was sie dort erwarte. „Das sagt man uns nicht“, so Felix F.
"Unser größtes Talent: Talente fördern"
Qualitativ mangelhaft sei der Unterricht, langweilig, unorganisiert, uninteressant und realitätsfremd, haben die Gesellen im September an den Leiter des Götzer Ausbildungszentrums geschrieben. Elf der zwölf Kursteilnehmer haben den Brief unterschrieben. Im Oktober 2014 hatte der Kurs begonnen, im November soll er enden. Die erbetene schriftliche Antwort gab es nicht – dafür ein Gespräch, das aus Sicht vieler Kursteilnehmer unbefriedigend verlief.
„Unser größtes Talent: Talente fördern“, lautet ein Slogan aus der Imagekampagne der Handwerkskammer. Ist das so? „Wir haben jährlich 11 500 Lehrgänge im Zentrum für Gewerbeförderung in Götz“, sagt Ausbildungsleiter Tilo Jänsch. „Ich denke, unsere 55 Mitarbeiter und 100 freien Dozenten machen einen ganz guten Job.“ Dass die Teilnehmer des aktuellen Tischlermeister-Lehrgangs unzufrieden sind, bedauere er. „Aber wir sehen auch die Hintergründe“, sagt der Geschäftsführer der Potsdamer Handwerkskammer, Ralph Bührig.
Mitten im Lehrgangsjahr Dozenten abgesprungen
Dass mitten im laufenden Lehrgang zwei Dozenten plötzlich abspringen, sei bei einem Meisterkurs noch nie passiert, betont er. Die Gründe der beiden kenne man nicht. „Es war jedenfalls nicht ganz einfach, schnell für Ersatz zu sorgen.“ Die neue Dozentin sei schon zuvor in der Meisterausbildung tätig gewesen. Als ihn die scharfe Kritik an ihr Mitte September erreichte, habe er sie sofort herausgenommen und sich erneut um Ersatz gekümmert, sagt Jänsch. „Wir haben reagiert und die Probleme aufgenommen.“
Was die Organisation des Meisterlehrgangs angehe, halte man sich an den geltenden Rahmenlehrplan. Dass es Dopplungen zur Lehrlingsausbildung gibt, will Jänsch nicht abstreiten. „Es gibt Kursteilnehmer, die im Stoff stehen und andere, bei denen man im Urschleim anfängt“, sagt er. Alle abzuholen und mitzunehmen sei da nicht einfach. An Dopplungen im Unterricht glaubt er nicht: Zur Organisation des Lehrgangs würden sich die Dozenten in Konferenzen abstimmen – von denen es wegen der Personalwechsel nun drei gegeben habe.
Handwerkskammer räumt Probleme ein
Betriebswirtschaftliche Themen wie Kalkulation und Rechnungslegung würden ausführlich in einem zweiten Lehrgangsteil behandelt, an dem dann auch Meisterschüler aus anderen Berufszweigen teilnehmen, so Handwerkskammerchef Bührig. „Kundenzufriedenheit ist unser Ziel“, unterstreicht er. Zum jetzt eingestellten, neuen Dozenten habe es ein positives Feedback von den Kursteilnehmern gegeben. Bührig ist die Situation sichtlich unangenehm, er räumt Probleme ein. Im Gegenzug würden die Kursteilnehmer nun im Dezember zwei zusätzliche Kurstage bekommen, könnten sich vor der Prüfung im Februar in Konsultationen nochmal extra vorbereiten.
Also alles wieder im Lot? Felix F. bestätigt, dass sich mit dem neuen und sehr engagierten Dozenten einiges zum Besseren gewendet habe, dass „der Neue“ endlich auch fachlich auf der Höhe sei und Stoff nachhole, der bislang schmerzlich vermisst wurde. „Ich hatte erstmals das Gefühl, etwas Neues und Wichtiges gelernt zu haben.“ Was den Unterrichtsersatz angeht, sei mit zwei Tagen nicht einmal ein Drittel der Ausfallstunden abgegolten. Das Geld sei bezahlt, der Ausbildungsvertrag aber nicht erfüllt.
"Mein Chef spingt im Dreieck"
Robert S. macht noch auf ein neues Problem aufmerksam: Bis November sollte laut Vertrag auch ein zweiwöchiger Praxislehrgang abgeschlossen sein. Das sei nun überraschend auf das kommende Jahr verschoben worden, die dreiwöchige praktische Meisterprüfung soll sich direkt anschließen. „Mein Chef springt im Dreieck, dass ich nächstes Jahr fünf Wochen hintereinander fehlen soll.“
Viele der kleinen Firmen, aus denen die Lehrgangsteilnehmer kommen, könnten ihre Leute so lange nicht entbehren, müssten wichtige Aufträge stornieren. Selbstständige Teilnehmer seien noch schlimmer dran. Der Gipfel für Robert S.: Trotz Nachfragen habe man bislang noch nicht einmal einen genauen Termin für den praktischen Ausbildungsteil genannt bekommen. „Wir wissen nur: 2016.“ Wie heißt es in der Handwerks-Kampagne treffend: „Zukunft kommt von Können.“
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