KulTOUR: Alles ist Porträt ?
Was uns Fotos und Skulpturen verraten – ein Besuch am „Tag des offenen Ateliers“ in Michendorf
Stand:
Michendorf - Ein Mädchen und ein Junge lieben einander, er macht intime Fotos von ihr. Diese erscheinen missbräuchlich im Internet, aber er will es nicht gewesen sein. Daraufhin suizidiert sie sich.
„Fotos können töten!“, kommentiert der leidenschaftliche Fotograf und Sammler Klaus-Dieter Zentgraf diese wahre Geschichte, die er anlässlich des Tages der offenen Ateliers am Entree seines Hauses auf eine Schautafel montiert hat. Obwohl er derzeit vollauf beschäftigt ist, sämtliche Bahnhöfe im eigenen Bundesland per Kamera zu dokumentieren, gehört seine Leidenschaft doch der hohen Schule des Porträts. Egal, ob nun Klassen- oder Familienfoto, Passbildserie oder ein Zug gefangener Soldaten aus dem Weltkrieg, RAF- oder FBI-Fahndungsplakat: Jede dieser Aufnahmen trägt den Anflug eines Porträts an oder in sich, ist somit manchmal mehr als nur ein Bild. Woher seine umfangreiche Sammlung aus alter und neuerer Zeit stammt? Gekauft oder geschenkt, antwortet er kurz.
Darüber, was Bild ist oder Porträt, was töten kann oder nicht töten wird, ließ sich am Wochenende nicht nur im Grünen Weg von Wilhelmshorst sehr gut und tief sinnieren, sondern überall, wo der Landkreis Potsdam-Mittelmark das entsprechende Logo hinterließ. Gut, dass es diese Offerte gibt, man trifft ja immer zuerst auf den Menschen, dann auf sein Werk. Keines wird den Geist seines Schöpfers verleugnen können, insofern sind sogar sie Porträts ihrer Künstler, anders geht es ja nicht.
Bernd Anhoff aus Neu-Langerwisch zum Beispiel. Aus Liebe zur Kunst, zu seiner Familie und zu sich selbst hat er den alten Beruf an den Nagel gehängt und vorsorgend nach einer Tätigkeit gesucht, die er noch im fortschreitenden Alter ausführen kann. Wie wunderbar das geklappt hat, ist im Hof und im Atelier seines Anwesens zu sehen: Überall gut gearbeitete Skulpturen und Plastiken aus eines Bildhauers Hand, mal aus Holz oder Modelliermasse, mal aus Graubeton oder Marmor. Dies zu erreichen, hat er den entsprechenden Berufsabschluss über die Handwerkskammer Wien gewählt. Seine realismusnahen Werke haben inzwischen nicht nur ein Publikum gefunden, auch die öffentliche Hand interessiert sich für seine Arbeit. So hängt eine Christusfigur von ihm in der Kirche des Ortes, weiteres findet man in Fresdorf und in Michendorf. Auch andere Glieder seiner Familie sind künstlerisch oder kunsthandwerklich unterwegs. Man hatte ein friedvolles Oeuvre vor sich, schön, dass man hier verweilen konnte.
Das gilt natürlich auch dem Wilhelmshorster „Basswood“-Künstler Hans-Ulrich Kittelmann, einem Holzbildhauer, der einst mit Lindenholz („Basswood“) begann, heute aber mit seiner „intuitiven Bildhauerei“ von Robinie und Buche bis zu Eiche und Silber-Ahorn alle Hölzer verwendet, wenn sie nur nicht von eigener Hand gefällt und gefallen sind. Deren Baumscheiben formt er zu lautlosen Windspielen, baut ein „Atom“ daraus.
Viele seiner Skulpturen sind geradezu demonstrativ „innen hohl“, was einen Mischweg von Konkretion und Abstraktion andeutet. Er erklärt diese Formsprache mit seiner Lieblingsmetapher „Einsichten“. „Beziehungen“ wäre die zweite, wie man bei anderen Arbeiten sehen kann. Sein „Ikarus“ steht für sich allein, Flug mit vorgestreckten Armen, man weiß, dies wird tödlich enden, sein „Bild“ indessen bleibt. Kittelmann hält nicht sich, sondern „die Natur“ für den eigentlichen Künstler, er mag dem toten Holz nur eine zweite Chance verschaffen. „Meine Arbeiten sind ehrlich“, sagt er. Also auch hier kein Missbrauch. Porträtiert sich der Künstler nicht dergestalt selbst?
Natürlich hat die Gegend zwischen der Bundesstraße 2 und Alt-Langerwisch noch mehr dieser Offenen Ateliers zu bieten. Höchste Zeit, sie den „Kulturträgern“ von Potsdam-Mittelmark, wie Schwielowsee oder dem Raum Teltow, gleichwertig an die Seite zu stellen. Gerold Paul
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: