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Von Tobias Reichelt und Henry Klix: Als ob die Kinder lesen könnten
Gema bittet auch mittelmärkische Kitas für Liedkopien zur Kasse / Kommunen und SGB verwundert
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Potsdam-Mittelmark - „Taler, Taler, du musst wandern“ – in diesem Fall in die Taschen der Gema. Der Kleinmachnower Kita-Verbund hat Post bekommen – „ein nettes Schreiben“, wie Verbundschefin Susanne Feser spöttelt. Um Liedtexte kopieren zu dürfen, sollen die Kindergärten der Gemeinde künftig Geld an die Verwertungsgesellschaft Gema abführen, die Lizenzgebühren eintreibt. „Wir haben uns erstmal das Urheberrecht durchgelesen“, sagt Feser. Zwar kann sie nachvollziehen, dass Musikindustrie und Liedermacher Geld verdienen wollen: „Aber das hier treibt schon mächtige Blüten.“
In Kleinmachnow sollen jährlich mindestens 56 Euro pro Kita fällig werden. Sie könnten dann jeweils bis zu 500 Kopien anfertigen – eine Anzahl, die gar nicht zustande kommt, sagt Feser. „Wir haben bislang relativ selten Texte und Noten kopiert.“ Für die Kinder brauche man die Zettel eigentlich nicht – die können im Kindergarten in der Regel noch keine Wörter oder Noten lesen. „Wir brauchen die Zettel für die Eltern.“ Auf Weihnachtsfeiern oder zum St. Martinsumzug wollen die mitsingen. Dafür wurden bislang einzelne Kopien verteilt.
Kleinmachnow steht mit der Gema-Forderung nicht allein, vor dem Jahreswechsel ging es durch die Medien: Die Gema hat im Auftrag der VG Musikedition bereits insgesamt 36 000 Kitas in Deutschland angeschrieben und aufgefordert, Lizenzverträge für das Kopieren und Verteilen von Liederzetteln abzuschließen. Dem Städte- und Gemeindebund Brandenburg ist das Problem nicht neu. Geschäftsführer Karl-Ludwig Böttcher verweist auf eine zwei Jahre zurückliegende Umfrage der kommunalen Spitzenverbände, die von der VG Musikedition angeregt worden war. Ergebnis: Kitas kopieren normalerweise keine Noten und Liedtexte, „schon weil die meisten Kinder nicht in der Lage sind, sie zu lesen“, wie Böttcher zitiert. Deshalb sieht er auch keinen Handlungsbedarf für die Kita-Träger.
Sollte doch mal kopiert werden, empfehlt er als Alternative zum Lizenzvertrag, die Liedtexte „manuell abzuschreiben“. Die Abschriften dürfen kopiert werden. Insbesondere bei einer jährlichen Anzahl von deutlich unter 500 Kopien sei das empfehlenswert. Sollten Kommunen dennoch lieber zahlen, verweist Böttcher auf die Möglichkeit eines 20-prozentigen Nachlasses für SGB-Mitglieder. Bemühungen des Deutschen Städtetags, auch eine Lizenzgebühr für weniger Kopien anzubieten, sind bislang gescheitert. Bemerkenswert, zumal es bei der VG Musikedition an sich auch eine Tarifstelle von 29 Euro für bis zu 250 Kopien gibt.
Kopfschütteln zur neuen Gema-Forderung auch im Rathaus Schwielowsee: Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) berichtet, dass bereits für Veranstaltungen viel Geld an die Gema abgeführt werden muss, zuletzt für das Weihnachtssingen in der Caputher Einstein-Grundschule. Für das Kopieren aus Liederbüchern an Schulen sei schon ein Pauschalvertrag zwischen den Verwertungsgesellschaften mit der Kultusministerkonferenz abgeschlossen worden. Was die drei gemeindeeigenen Kitas angeht, hat sich Hoppe inzwischen schriftlich bestätigen lassen, dass dort keine Liedtexte aus Liedbüchern kopiert werden. „Außerdem wurden alle Kitas ausdrücklich über die rechtlichen Hintergründe belehrt.“ Dabei will es die Bürgermeisterin belassen. Die neuen Gema-Schreiben, die auch Schwielowsee erreichten, sind für sie abgehakt.
Auch in Kleinmachnow wird man die „Lizenzpflicht“ umgehen: „Jetzt kopieren wir nur noch die guten alten Lieder“, sagt Feser. 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, könnten die Texte vervielfältigt werden. Für moderne Lieder seien die Gema-Gebühren zu hoch – ebenso der Aufwand, um die einzelnen Lieder und Kopien abzurechnen.
Dass sich Erzieher hinsetzen und die Texte handschriftlich abschreiben, hält Feser für keine gute Lösung. Zu hoch sei der Personalaufwand. In Kleinmachnow müssen sich die Eltern deshalb nun selbst um die moderneren Liedtexte kümmern, wenn sie mitsingen wollen, sagt Feser.
Mehr Sorgen als die Gema bereitet der Verbundschefin zurzeit die Gebühreneinzugszentrale. Ab 2013 wird die GEZ von jedem Haushalt eine Gebühr von 17,98 Euro verlangen – „ob wir das auch für jede Kita zahlen müssen, prüfen wir gerade“, sagt Feser. Im Moment zahlen die Kitas die GEZ noch nicht – sollte sich das ändern, könnte es teuer werden.
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