Potsdam-Mittelmark: Als Zahnarzt in Afrika
Raimar Köster half viele Wochen in den Armutsgebieten Kenias und denkt schon an den nächsten Einsatz
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Nuthetal - „Es macht Spaß, meine helle Hand vor die sehr dunklen Gesichter der Kinder zu halten. Das ausbrechende Gelächter hilft Spannungen abzubauen“, erzählt Raimar Köster. Bereits drei Mal reiste der Zahnarzt aus Bergholz-Rehbrücke während der vergangenen Jahre zum Hilfseinsatz nach Kenia. Oft sei er der erste weiße Mann gewesen, dem die Mädchen und Jungen dort begegneten, berichtete er in der Rehbrücker Akademie 2. Lebenshälfte jüngst über seine Erlebnisse. An die großen, glücklichen Kinderaugen erinnere er sich besonders gern, so der Zahnarzt.
Als „Arzt ohne Grenzen“ praktizierte Raimar Köster wochenlang im westkenianischen Nyabondo. In der Fachpresse war er vor Jahren auf den Verein „Arzt- und Zahnarzthilfe Kenya e.V.“ aufmerksam geworden. Thüringer Zahnärzte hatten ihn 1999 in Sömmerda gegründet. Ihr Ziel ist es, die medizinische Versorgung in den Armengebieten Kenias zu unterstützen. „Man schämt sich, dass es einem besser geht,“ erklärt Köster seine Motivation.
Erschüttert hat er die Nachrichten über die Wahlunruhen Anfang dieses Jahres in Kenia verfolgt. Nyabondo liegt in einer Krisenregion um Kisumu, der Heimatstadt des Oppositionsführers Raila Odinga und Hochburg seiner Anhänger. Die Ereignisse haben Kösters Kenia-Einsatz in diesem Jahr verhindert. Der engagierte Arzt bemüht sich, die Ereignisse zu verstehen. Er hat die Menschen friedfertig erlebt, mit ihnen gearbeitet, doch mit der Wahl seien alte Stammesstreitigkeiten wieder aufgebrochen. Der Thüringer Ärzteverein leistete schnelle Hilfe. 20 000 Euro wurden zur Linderung des Hungers unter der Bevölkerung während der Unruhen überwiesen.
Feste Station des Hilfevereins ist das St. Joseph''s Hospital von Nyabondo, 40 Kilometer südlich des Äquators. 150 000 Menschen leben in der von Landwirtschaft geprägten Armenregion. Gebraucht werden vor Ort Zahnärzte, Zahntechniker und Arzthelferinnen, die den Einheimischen auch Ausbildungshilfe in medizinischen Berufen geben. Notwendige Technik wird mit Spenden in Deutschland erworben und nach Kenia gebracht. „Entweder man hasst oder liebt Afrika“, habe ein Betreuer einmal zu ihm gesagt. Raimar Köster liebt es, weiß aber, dass seine Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein kann. Die staatliche medizinische Versorgung im Land sei katastrophal, die Gesundheitszentren der Kirche in Kenia scheinen als einzige Hilfe dieser Art zu funktionieren, berichtet er.
1955 von franziskanischen Missionsschwestern gegründet, gehört das Hospital jetzt der katholischen Erzdiözese von Kisumu, 60 Kilometer vom Hospital direkt am Viktoriasee gelegen. Im Jahr 2000 richtete der deutsche Verein eine Zahnarztpraxis ein, vorher gab es keinerlei zahnmedizinische Versorgung. Ein Dutzend Lehmhütten stehen um das aus Stein errichtete Hospital, ein einsamer Baum wirft auf dem Gelände Schatten. Klima und Lebensumstände sind für Europäer schwer zu ertragen. Das Hospital muss sich selbst finanzieren. Die Regierung unterstützt keine privaten Krankenhäuser. Gehfähige Patienten waschen vor dem Hospital ihre Wäsche. Eine große Mauer sichert das Gelände, denn es gibt sehr viele Diebstähle in der Region.
Kösters Tagespensum lag bei 10 bis 140 Patienten. Mobile Sprechstunden unter freiem Himmel mit Taschenlampe und Notstromaggregat organisierte das Hospital mehrmals wöchentlich in entfernten Siedlungen der Region. Auf Sand- oder Schlammpisten ging es mit einer mobilen Behandlungseinheit dorthin. „Mehr als sechs Kilometer je Stunde schafft man nicht“, berichtet der Zahnarzt. Die Patienten warteten geduldig. Einen eher symbolischen Obolus in Geld oder Naturalien wie lebende Hühner, Eier, Bananen müssen sie für die medizinische Versorgung an das Hospital zahlen. Oft hilft keine Zahnbehandlung mehr, einzige Lösung ist zu 99 Prozent die Extraktion. Kaum eine Familie hat weniger als fünf Kinder. Ein Vater konnte den Obolus für die Behandlung eines Kindes nur anteilig bezahlen, sieben Zähne mussten aber gezogen werden. Köster tat es und legte das Geld selbst hin. Er habe es nicht übers Herz gebracht, den Mann abzuweisen.
Gemeinsam mit seiner Frau habe er in Kenia schnell persönliche Verbindungen aufbauen können. „Wenn die Menschen begriffen dass wir nicht des Profits wegen kommen, fassten sie Vertrauen.“ Gern erzählt er von der Nonne Fabian – sie ist so alt wie Kösters Tochter, 29. Fabian stammt aus einer großen, armen Familie in der Region. Hübsch sieht sie in ihrer weißen Schwesterntracht aus. Sie hat Abitur, spricht etwas deutsch und lehrte den Zahnarzt die einheimische Sprache Kisuaheli. Der deutsche Ärzteverein hat „Sister Fabian“ jetzt für fünf Jahre zum Studium nach Uganda geschickt, die Studienkosten von 12 000 US-Dollar trägt der Verein, denn Ziel der Kenia-Hilfe ist es, dass Fabian später selbst ihre Landsleute versorgen kann. Den Lebensunterhalt Fabians finanziert neben monatlichen 20 Euro vom Verein jetzt auch die Familie Köster privat mit jährlichen 350 Euro. In ihren monatlichen Briefen, die aus Uganda in Bergholz-Rehbrücke eintreffen , berichtet die Nonne nun über ihr Studium, das sie ohne Hilfe nie hätte aufnehmen können.
Raimar Köster erinnert sich noch gut an das Gefühl nach den Kenia-Einsätzen. „Das erste Bedürfnis zu Hause war ein ausgiebiges Bad, aus dem man nicht wieder rauskommen möchte“, erzählt er. Doch das Gefühl der Erschöpfung hält nur wenige Tage an. Dann denke er schon wieder an die nächste Reise.
Weitere Infos unter
www.zahnarzthilfe-kenya.de
Ute Kaupke
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