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Potsdam-Mittelmark: „Alter Fritz“ auf Kurzbesuch in Teltow

Monarchischer Schauspieler ließ Preußens Chronik durch Teltow streifen

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Teltow - Sichtlich beeindruckt von den filigranen „Deckengemälden und Stuckarbeiten oberhalb seines Hauptes“, zeigte sich der „Alte Fritz“ bei seinem Besuch im Saal des Teltower Bürgerzentrums. Es war wohl seiner bekannten Kurzsichtigkeit geschuldet, dass Friedrich der Große alias Schauspieler Hermann Lamprecht den grauen Saal samt Entlüftungsrohren und Lampen, die den Charme einer Bahnhofshalle versprühen, anders wahrnahm als seine rund 200 Gäste.

Wo das „gemeine Volk“ nur Sichtbeton zu erkennen vermochte, war das königliche Auge entzückt von kostbaren Bildern und den mit edlen Seidenstoff bespannten Wänden. Da glucksten nicht wenige im Saal, die gekommen waren, um den alten Geschichten des Monarchen zu lauschen. Angesichts des sparsamen Interieurs streifte „Friedrichs Miene“ nur für einen Moment ein spöttisches Lächeln.

Der Abend ließ sich gut an und es kam noch besser, nachdem Seine Majestät in der Familienchronik blätterte. Da waren nicht nur die drei Kriege, die auf das Konto vom Alten Fritz gingen und dem Begriff Preußen zu seinem donnernden Klang in der Weltgeschichte verhalfen. Schon zuvor prägten Vater und Großvater das Land – im Guten und im Bösen.

Hunderte von Edikten regelten den Staat und das Leben seiner Untertanen. So verordnete der Vater des Alten Fritz, Friedrich Wilhelm der Erste, 1717 die allgemeine Schulpflicht: Hauptfach Religion, auch Schreiben und Rechnen waren wünschenswert, aber kein Pflicht, wie 1740 sein Sohn feststellte: „Die Religionen Müssen alle Tolleriret werden ...“. Welche Rolle einst die Stadt Teltow beim königlichen Engagement für religiös Verfolgte spielte, interessierte den Alten Fritz besonders. „Als die Salzburger Glaubensbrüder hier durchzogen, haben sich die Teltower nicht mit Ruhm bekleckert!“, schimpfte der Monarch. Überall war der Zug von rund 20 000 Vertriebenen, der sich ab 1731, zu Zeiten Friedrich Wilhelm I., quer durch Deutschland über Berlin nach Ostpreußen bewegte, mit großer Anteilnahme empfangen worden. So versorgte die Bevölkerung die protestantischen Glaubensbrüder mit Essen und sammelte Geld für sie. Selbst der sonst sparsame Soldatenkönig ließ einige Millionen Taler Reisespesen springen. Doch als 200 Salzburger im Juni 1732, begleitet von Trebbiner Fuhrleuten auf dem Teltower Marktplatz eintrafen, erlebten sie ein Desaster.

Den hilfsbereiten Trebbinern, die nach der Ankunft das Gepäck der Salzburger von ihren 25 Wagen abluden, blieb nicht verborgen, dass die geizigen Teltower mit wesentlich kleineren Fuhrwerken aufgefahren waren. Darauf alle Habseligkeiten zu verstauen schien kaum möglich, zudem hatten die Knechte keine Leitern mitgebracht, um die Ladeflächen zu vergrößern. Von zwei Stadtverordneten auf diesen Missstand aufmerksam gemacht, zeigten sich Teltows Hüfner und Knechte unbeeindruckt, dickschädelig fuhren einige sogar nur halbvoll beladen zum Berliner Tor. Kurz entschlossen ordnete Bürgermeister Christoph Bruno an, alle Tore zu schließen. Im anschließenden Tumult beschimpften die Knechte Bürgermeister und Ratsherren. Nur einige beherzt eingreifende Bürger konnten schlimmere Handgreiflichkeiten verhindern, las der Alte Fritz aus den Chroniken seines Vaters. Es dauerte lange ehe alle Gepäckstücke verladen waren, um endlich zum Berliner Sammelplatz aufbrechen zu können. Die der Stadt angetane Schmach wollten Bürgermeister und Ratsherren den Knechten nicht durchgehen lassen, weshalb sie den König in einen Beschwerdebrief baten, die Frevler zu bestrafen. Welche Sanktionen Friedrich Wilhelm I. ihnen zudachte, ist nicht überliefert. Aus eigener Erfahrung konnte sein Sohn den Anwesenden im Bürgersaal berichten, dass ihm sein Vater die preußischen Tugenden wie Gehorsam, Ordnung und Pflichtgefühl gern per Rohrstock näher brachte. K.Graulich

K.Graulich

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