Potsdam-Mittelmark: „An den netten Herrn Oberkellner“ Ausstellung zu 111 Jahre Blütenfest startet heute
Werder (Havel) - Der Briefumschlag ist schon stark vergilbt und man sieht, dass er in Eile geöffnet worden ist – wahrscheinlich in vorfreudiger Erwartung. Denn in zarter Frauenhandschift steht darauf geschrieben „An den netten freundlichen Herrn Oberkellner in der HO Gaststätte Holländermühle“.
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Werder (Havel) - Der Briefumschlag ist schon stark vergilbt und man sieht, dass er in Eile geöffnet worden ist – wahrscheinlich in vorfreudiger Erwartung. Denn in zarter Frauenhandschift steht darauf geschrieben „An den netten freundlichen Herrn Oberkellner in der HO Gaststätte Holländermühle“. Der Brief wurde in den 50ern per Post abgeschickt – und ist tatsächlich angekommen. Die Nachfahren des Adressaten haben den Umschlag als Exponat dem Werderaner Peter Henke zur Verfügung gestellt. Heute um 16 Uhr eröffnet er in der Turmgalerie der Bismarckhöhe seine Ausstellung „Blüthezeit – 111 Jahre Baumblütenfest“.
Gezeigt werden Dokumente, Postkarten und Fotos aus den Blütenfesten bis zur Wende. Auf einer der Karten ist der Große Ballsaal der Bismarckhöhe im Jahre 1926 zu sehen und wer ihn heute kennt, weiß jetzt, wie detailgetreu die Stadt ihn vor vier Jahren hat restaurieren lassen. „Nur die Kleider sahen damals noch schicker aus“, lacht Henke. Ein großer Teil der Exponate stammt aus seiner eigenen Sammlung. Mittlerweile hat der 48-Jährige 1200 Postkarten über Werder zusammengetragen. Eine weitere Karte von 1915 hatte damals praktischen Wert: Es ist ein Stadtführer, auf dem Lokale verzeichnet sind, die es heute gar nicht mehr gibt, wie das Café Beerbaum in der Mühlenstraße oder das Gesellschaftshaus am Markt, das am Ende des Zweiten Weltkrieges von Bomben zerstört worden ist. Schon längst ist Henke vom Sammler zum Heimathistoriker geworden, er kennt die kleinen Geschichten rund ums 130 Jahre alte Blütenfest. Warum hat er bei 111 Jahren die Grenze gesetzt? „Die letzten 19 Jahre haben die meisten selbst miterlebt – und die Zahl 111 klingt doch viel weinseliger“, sagt er.
Mittlerweile kann er auch eigene Anekdoten beisteuern: Wie er zum Beispiel an das Schulterstück eines sowjetischen Offiziers, einen Bierdeckel und ein Stück einer alten Weinkarte gekommen ist. „Das alles hat eine Ratte zusammengetragen, und das schon vor Jahrzehnten“, berichtet er. Erst als bei der Sanierung des Ballsaals das Parkett herausgenommen wurde, sei das Nest gefunden worden. Andere Exponate haben in Schubfächern überdauert: Speisekarten, auf denen man erfährt, dass ein Schweinebraten mit Kompott in der Höhengaststätte in den 20er Jahren nur 1,40 Reichsmark gekostet hat oder man für die Übernachtung im „Prinz Heinrich“ nur fünf Reichsmark bezahlen musste. In einem Antiquariat in Wittenberge wiederum hat Henke eine Sammlung alter Etiketten von Säften und Weinen aus Werder erworben.
All das erzählt er mit Augenzwinkern und Liebe zum Detail. Der Spaß am Blütenfest steht für Henke im Vordergrund – und den wird er mit seiner Ausstellung auch den Besuchern vermitteln. lä
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