Potsdam-Mittelmark: Angeklagter bestreitet Mordvorwurf
Schlusswort im Prozess um Tod des Fotomodells
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Beelitz/Potsdam- Die letzten Sätze von Michael F. sind kaum noch zu verstehen. Am Ende seines fast zweistündigen Schlusswortes ersticken die Worte des Angeklagten in Tränen. Michael F. spricht von Todesstrafe und davon, dass leider keiner seiner Suizidversuche gelungen sei. Nach 15 Verhandlungstagen geht vor dem Landgericht Potsdam der Prozess um die Tötung eines 20-jährigen Fotomodells in Beelitz-Heilstätten zu Ende. Am 20. August soll das Urteil gesprochen werden. Das Gericht muss entscheiden: War es Mord oder fahrlässige Tötung?
Der Staatsanwalt geht von Mord aus. Michael F. habe sein Opfer zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes erwürgt, hatte Staatsanwalt Jörg Möbius in der vergangenen Woche in seinem Plädoyer gesagt (PNN berichteten). Anschließend habe sich der Angeklagte an der Leiche vergangen. Nach Ansicht eines psychiatrischen Gutachters sei F. aber aufgrund einer seelischen Abartigkeit vermindert schuldfähig. Deshalb fordere die Staatsanwaltschaft statt einer lebenslangen eine Freiheitsstrafe wegen Mordes und Störung der Totenruhe von 14 Jahren. Der Angeklagte solle zunächst sechs Jahre in Haft und dann in einer psychiatrischen Anstalt therapiert werden.
Michael F. bestreitet den Mordvorwurf vehement. Er habe Anja geliebt, sagt der promovierte Wissenschaftler aus Mainz. Er trage Schuld an ihrem Tod, aber er habe den Tod nicht gewollt. Der Hobbyfotograf und das Amateurmodell hatten sich nach Darstellung des Angeklagten über das Internet kennengelernt. Über Monate hätten sie sich gegenseitig Nachrichten geschickt. Dabei habe Anja von sich aus ihre Vergewaltigungsfantasien beschrieben. Er selbst habe bereits mit früheren Bekanntschaften sadomasochistische Sexualpraktiken ausprobiert. Dazu hätten auch Spiele zur Atemreduktion gehört. Nach Monaten des Austauschs per Mail und SMS trafen sich Michael F. und Anja P. erstmals am 26. Juli 2008. Nach einem Fotoshooting in den maroden Gebäuden der ehemaligen Beelitzer Heilstätten hätten sie sich zunächst gegenseitig oral und manuell befriedigt, schildert F. Am nächsten Morgen habe er Anja - wie zuvor für ein sexuelles Rollenspiel vereinbart - mit einer Bratpfanne auf den Kopf geschlagen und sie anschließend mit der linken Hand gewürgt. Anja habe sich nicht gewehrt, sagt der Angeklagte und weist damit Aussagen einer Gutachterin zurück, wonach das Opfer gegen den Tod durch Ersticken gekämpft haben muss. Als Anja sich gar nicht mehr bewegte, ist F. nach eigenen Angaben davon ausgegangen, dass sie eine Ohnmacht vortäuscht. Erst nach dem vollzogenen Geschlechtsverkehr habe er bemerkt, dass Anja nicht mehr lebe, sagt der Angeklagte. Dass er sich danach noch mehrmals an der Leiche vergangen habe, weist F. strikt zurück. Sein Verteidiger Matthias Schöneburg sagt in seinem Plädoyer, es gehe um einen nicht alltäglichen Sachverhalt, der die Vorstellungskraft vieler übersteige. „Scheinbar perverse Neigungen“ dürften aber nicht zu einem vorschnellen Urteil führen. Der Vorwurf der Nebenklage, F. habe sich eine junge Frau gesucht, um sie zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs zu töten, sei falsch. Denn Anja habe den Kontakt gesucht und sie habe ebenso wie F. offenbar sadomasochistische Neigungen gehabt. Der Tod sei nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig verursacht worden, unterstreicht der Verteidiger und beantragt eine Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren. Zudem solle der Haftbefehl aufgehoben werden. F. sei nicht vorbestraft und sitze seit einem Jahr in U-Haft. Er lebe in festen sozialen Strukturen. Daher bestehe keine Fluchtgefahr, argumentiert Schöneburg. Der Angeklagte sagt, sein Leben sei an jenem Sonntag im Juli 2008 zu Ende gegangen. Er könne die Wut ihrer Eltern verstehen, fügt er noch hinzu. Hören können die Nebenkläger die Worte von F. nicht. Sie haben zu Beginn seiner Ausführungen den Saal verlassen.Susann Fischer
Susann Fischer
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