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Erste Kunden. Der fünfjährige Tayler (3.v.l.) und seine Freunde vom SOS-Kinderdorf basteln Schmuck für den Baum, den Jörg Vogelsänger abgesägt hat. Zur Saisoneröffnung war auch die deutsche Baumkönigin Saskia Blümel angereist.

© Nestor Bachmann / dpa

Potsdam-Mittelmark: Angesägt

In Werder startete am Donnerstag die diesjährige Weihnachtsbaumsaison. Die erste Tanne ging an ein SOS-Kinderdorf, das auch auf Geldspenden hofft

Von Enrico Bellin

Stand:

Werder (Havel) - Die Säge klemmt. Mehrere Zentimeter weit hat Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) das Blatt schon in den Stamm des gut vier Meter hohen Baumes auf dem Werderaner Tannenhof gebracht, dann geht es nur mit enormem Kraftaufwand weiter. „Das ist bei frischem Holz ganz normal, egal wie scharf die Säge ist“, sagt Tannenhof-Chef Gerald Mai am gestrigen Donnerstag bei der offiziellen Eröffnung der Weihnachtsbaumsaison. „Man muss an der Säge ziehen und nicht drücken“, verrät Werders Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU). Und dann fällt der erste Baum der diesjährigen Saison auf dem Hof.

Bestimmt ist er für das SOS-Kinderdorf in Brandenburg / Havel, für das auf dem Tannenhof schon seit Jahren Spenden gesammelt werden. „Der Baum kommt in unseren großen Saal, am 16. Dezember machen wir unsere Weihnachtsfeier mit allen 33 Kindern“, sagt Kinderdorf-Bereichsleiterin Michaela Otto den PNN. Bis zum Neujahrsfrühstück am 10. Januar stehe der Baum aus Werder jedes Jahr. In den kommenden Wochen gebe es drei Bastelnachmittage, an denen die Kinder den Baumschmuck selbst machen. Die Augen des fünfjährigen Taylers, einem der Bewohner des Kinderdorfes, glänzen vor Vorfreude, als Otto neben ihm von den Weihnachtsvorbereitungen erzählt.

Auch nach Weihnachten haben die Kinder noch etwas vom Tannenhof: In den vergangenen zwei Jahren wurden in Werder bis Weihnachten je rund 1000 Euro gesammelt, die im Januar an das Kinderdorf übergeben wurden. „In diesem Jahr konnten wir von dem Geld Urlaub auf dem Bauernhof für die Kinder bezahlen“, sagt Michaela Otto. Auch die neuen Spenden sind schon verplant: Im kommenden Frühjahr soll eine weitere Frau im Dorf fünf bis sechs Schützlinge aufnehmen, vom Geld aus Werder soll deshalb neues Spielzeug angeschafft werden.

Die Spendenboxen stehen in den Verkaufsräumen mitten in den Feldern des an der Landstraße zwischen Werder und Plötzin gelegenen Hofes. Auf knapp 60 Hektar werden hier inzwischen Nordmanntanne, Blaufichte und Co. großgezogen. „Zwischen 250 000 und 350 000 Bäume stehen auf unseren Feldern“, sagt Karin Lorenz, die den Tannenhof gemeinsam mit Gerald Mai seit 1991 bewirtschaftet.

Genauer könne man das kaum sagen, da die einzelnen Plantagen immer ein Jahr nach der Ernte der Bäume nur als Wiese dienten, damit sich die Felder erholen könnten. Ein Milchbauer aus dem benachbarten Krielow mäht das Gras für seine Kühe ab. Eine neue Anbaufläche, die vorher drei Jahre lang brach lag, sei zur Hälfte in diesem Frühjahr bepflanzt worden. Die andere Hälfte folge 2017. Wie berichtet wurden auf dem Hof Mitte Oktober auch 5000 fair gehandelte Jungbäume gepflanzt, für deren aus dem Kaukasus stammende Samen deutlich mehr Geld gezahlt wurde als für herkömmlich geerntete.

Trotzdem kritisieren in Werder unter anderem Mitglieder der Grünen-Fraktion, dass es sich bei dem Baumanbau um eine Monokultur handele, mit entsprechenden Schäden für die Natur. „Besonders in den Anfangsjahren des Betriebes dachten einige in Werder, dass die Baumproduktion nicht hierher passe“ erinnert sich Walter Kassin, Chef des Werderaner Obst- und Gartenbauvereines, in dem neben Bauern auch der Tannenhof Mitglied ist. Viele hätten bedauert, dass auf den Feldern nicht wie früher Obst angebaut wird. „Doch einen Obstanbau in den Mengen wie zu DDR-Zeiten wird es hier nie wieder geben“, ist sich Kassin sicher. Der Tannenhof verhindere nun, dass es größere Brachflächen gibt, die Investoren zum großflächigen Anbau von Mais anregen könnten. Im Gegensatz zu den Tannenplantagen sei beim Maisanbau der Boden wesentlich verdichteter, was größere Schäden für die Umwelt bedeute.

Außerdem mache der Tannenhof Kassin zufolge Werbung für den Obstbau: „Die Besucher, die in den nächsten Wochen von weiter weg hierher fahren, sehen, dass es hier neben dem Hof noch ein Obstbaugebiet ist.“ Viele Berliner etwa, die hier im Winter ihren Baum selbst schlagen, würden inzwischen im Sommer zur Selbstpflücke von Kirschen oder Äpfeln zurückkommen. Enrico Bellin

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