KulTOUR: Angst vor der Liebe
Michael Klemms „Prophezeiung“ in der Comédie Soleil in Werder
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Von Gerold Paul
Werder (Havel) - Nichts ist so, wie es scheint!, sagte sich Herr Shalam, ein Universitätsprofessor in Rom. Alles wird gut, auch wenn wir in der Kaliyuga-Ära leben müssen, der schlimmsten von allen, dachte sich Michael Klemm, und schrieb ein Theaterstück über Einfluss, Macht und Wege der „Illuminati“. Der „momento Bühnenverlag“ hat es vor fünf Jahren angenommen, uraufgeführt aber wurde es merkwürdigerweise erst jüngst vom Autor selbst und seiner Comédie Soleil in Werder.
Ungläubigkeit und Verunsicherung beherrschten das Publikum der ersten Vorstellungen. Aber so ist das nun mal mit den Geheimen Gesellschaften: Ginge alles mit unrechten Dingen zu, brauchte man sie nicht, sind sie aber geheim, dann richtig! Die weitverzweigte Sekte der Freimaurerei beispielsweise hat einen Ehrenkodex wider den „Geheimnisverrat“: Zunge rausschneiden, den Delinquenten töten. Anders als gewisse Leute, welche alle Freimaurer und speziell die Illuminati für einen harmlosen Palaver-Verein der Philanthropen halten, glaubt der Autor des Stückes „Die Prophezeiung“ an eine unterirdische und atheistische Weltverschwörung. Gerade deshalb wurde ja seinem Professor (den er mit Leidenschaft selbst spielt) die Erlaubnis zum Forschen entzogen. Lehren darf er, nur achtet er nicht so darauf, wem er da tiefstes Geheimnis verrät.
Sind die beiden Journalisten Kristina (Michaela Wrona) und Ricardo (David Segen) wirklich echt? Am Wochenende stand dieses heiße Eisen wieder auf dem Spielplan der Comédie. Was da nun verborgen bleiben soll, bildet einen Großteil des aufklärerisch gemeinten Stückes: Es geht um ein paar Mechanismen zum Bau der „Neuen Weltordnung“ jenseits von 1984, sehr aktuell also. Es geht um Methoden, ganze Menschengruppen zu manipulieren und zu beherrschen, unbotmäßiges Wissen samt ihrer Träger jedoch zu denunzieren und zu eliminieren, um die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft. Um das Werk von Gewissen, Wahrheit und Liebe.
Der Bogen ist sehr weit gespannt, er reicht vom mysteriösen Tod des 33-Tage-Papstes Johannes Paul I. bis zur Trilateralen Kommission, der nun auch ein gewisser Joseph Fischer angehöre, von den Bilderbergern bis zur geheim gehaltenen Antwort, welche Außerirdische 1974/75 an die Radioteleskope der Erde zurücksandten. Auch haben die letzten US-Präsidenten mehr miteinander zu tun, als man glaubt. Es geht in diesem thematisch unglaublich dichten Stück um nichts weniger als um die Machtübernahme der Welt durch allerlei Sekten der Freimaurerei, der Illuminati.
Und die Prophezeiung? Die steht in der Offenbarung Johanni. Jetzt erfährt der Zuschauer auch, wie nahe die geheimnisvolle Zahl „666“ mit dem Alltag seiner Gegenwart zu tun hat. Alles sehr hart, sehr wahr, sehr gruselig, eben theatralisch. Man darf raten, welche Folgen Shalams Offenherz haben mag.
Trotzdem und deshalb empfiehlt das engagierte Theater dieses Stück auch allen Schulen, Vorbestellungen erwünscht. Außerdem geistert da ja auch noch ein sehr charmantes Persönchen durch die wunderbar gestaltete Bühne – Wolfram Baumgart baute ein dunkles Studierzimmer mit Spinn-Netz an der Decke und Möglichkeit zur Bild-Projektion – fast ohne Portefeuille: Nadja Winters „Hausgeist“ Vasala. Sie gibt der Szene, was all die knallharten Weltveränderer am meisten fürchten: Liebe. Und weil sie auch im Leben an Klemms Seite steht, fürchtet sich dieser auch nicht: „Keine Sorge, alles wird gut!“
Nächste Vorstellungen 1. bis 3. Oktober
Gerold Paul
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