Aus dem GERICHTSSAAL: „Ansonsten mache ich dich einen Kopf kürzer“
Bedrohung eines Teltowers: Täterschaft des Angeklagten war nicht zweifelsfrei zu beweisen
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Teltow - „Gucken Sie sich den Angeklagten Frank F. genau an“, fordert der Staatsanwalt. „War er es?“ Mario M.* (46) auf dem Zeugenstuhl nickt. „Nach Aktenlage war der Täter vermummt. Wieso sind Sie so sicher?“, hakt der Vertreter der Anklage nach. „Ich glaube zu 90 Prozent, dass er es war“, räumt der Zeuge nun ein. Doch eine 90-prozentige Wiedererkennung reichen weder Staatsanwaltschaft noch Gericht. Frank F.* (46) aus Berlin – gelernter Zimmermann, Börsenberater, zuletzt Hartz IV-Empfänger – wird „aus tatsächlichen Gründen“ vom Vorwurf der versuchten Nötigung freigesprochen.
Laut Anklage soll Frank F. am Morgen des 5. Oktober 2009 vor der Haustür des langjährigen Vertriebsleiters der „Office Company GmbH“ Mario M. in Teltow aufgetaucht sein und gedroht haben: „Du sollst die Kunden der Firma in Ruhe lassen, ansonsten mache ich dich einen Kopf kürzer, du kleine Drecksau. Denk dran, dass du eine Familie hast.“ Mario M. nahm diese Drohung sehr ernst.
Das inzwischen pleite gegangene Unternehmen gehörte dem Bruder des Angeklagten. Der Firmenchef und sein Vertriebsleiter Mario M. trennten sich nach dem Konkurs der GmbH nicht gerade im besten Einvernehmen. Mario M. arbeitete danach in einem anderen Unternehmen. Er hielt allerdings einverständlich mit seinem Ex-Chef Verbindung zu den ehemaligen Kunden.
„Ich war das nicht. Ich kenne den Zeugen überhaupt nicht. Das habe ich schon zweimal bei der Polizei gesagt“, begehrt Frank F. zu Prozessbeginn auf. Kontakt zu seinem Bruder, dem ehemaligen Firmenchef, habe er selten, kenne dessen Probleme daher nicht. „Wir sehen uns einmal im Jahr beim Geburtstag unserer Mutter“, erzählt er, berichtet, dass ihm der zwei Jahre jüngere Bruder durchaus ähnlich sehe. „Wir werden sogar manchmal verwechselt“, versichert er.
„Das war nicht der Bruder. Der hat ein viel kräftigeres Gesicht", pariert Mario M. „Der Mann, der mich auf meinem Grundstück bedroht hat, fragte zuerst nach meinem Namen. Plötzlich griff er in die Hosentasche. Ich dachte, jetzt zieht er ein Messer und schrie um Hilfe. Dann bin ich weggerannt.“ Obwohl der Täter die Kapuze seiner Jacke tief in die Stirn gezogen habe, sein Kinn mit einem Schal verhüllt gewesen sei, habe er Augen, Nase, Wangen und Mund deutlich erkennen können. Bei der Polizei habe er zunächst Anzeige gegen Unbekannt erstattet, danach nächtelang gegrübelt, berichtet Mario M. „Ich wusste, ich hatte diese Person schon einmal gesehen“, so der Zeuge. „Dann fiel mir ein, das muss vor ungefähr vier Jahren gewesen sein. Da hatte dieser Mann meinen Chef in der Firma besucht.“
„Der einzige Zeuge hat den Angeklagten lediglich zu 90 Prozent wiedererkannt. Auf so eine Aussage kann man keine Verurteilung stützen“, begründet die Richterin den Freispruch. Frank F. ist erleichtert, vergewissert sich aber: „Was wäre passiert, wenn sich der Zeuge zu 100 Prozent sicher gewesen wäre?“ Staatsanwaltschaft und Gericht hüllen sich dazu in salomonisches Schweigen. (*Namen geändert.) Hoga
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