
© Manfred Thomas
Innenministerium überrumpelt Schwielowsee: Asylbewerber sollen ins Gewerbegebiet
Bürgermeisterin Kerstin Hoppe erfuhr erst am Donnerstag von den Plänen, am 1. Oktober in Ferch ein Erstaufnahmelager zu öffnen. Beim Innenministerium war man indes nicht ganz sicher, in welcher Kommune der Standort liegt.
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Schwielowsee - Kerstin Hoppe (CDU) erreichte die Information gestern per Autotelefon: Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) teilte der Bürgermeisterin von Schwielowsee, die an diesem Tag noch viele Sitzungen und Termine vor sich hatte, gegen Mittag kurz mit, dass ab 1. Oktober im Schwielowsee-Ortsteil Ferch eine Außenstelle des Erstaufnahmelagers Eisenhüttenstadt eingerichtet werden soll. Das Ministerium hat in den vergangenen Wochen an mehreren Stellen nach Liegenschaften gesucht, um die überfüllte Anlaufstelle für Asylbewerber zu entlasten. Die Wahl fiel auf ein Wohnheim für Bundeswehrsoldaten im abgelegenen Gewerbegebiet Ferch, das nicht mehr gebraucht wird.
Hoppe war auch gestern Nachmittag noch hörbar erregt über die kurzfristige Ankündigung. „Natürlich sehe ich rein menschlich die Verpflichtung, den asylsuchenden Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten zu helfen.“ Sie rechnet auch fest damit, dass sich in ihrer Gemeinde Initiativen gründen werden, um die Neuankömmlinge zu unterstützen. Sie findet die Zeit, um sich auf den Zustrom von Menschen vorzubereiten, allerdings recht knapp bemessen. Ferch hat keine 2000 Einwohner, ihre Hilfsbereitschaft wird schnell gefragt sein. Das Heim soll bis zu 300 Flüchtlinge aufnehmen.
In einer so wichtigen Angelegenheit fühlt sich Hoppe vom Innenministerium überfahren. „Es ist kein schöner Umgang, dass wir das erst ein paar Tage vor dem Start gesagt bekommen“, so die Bürgermeisterin. Sie habe nicht mal die Chance gehabt, die Gemeindevertreter zu informieren, bevor die Nachricht gestern im Radio vermeldet wurde. Jetzt wolle sie sich mit dem Ministerium abstimmen, welche Hilfestellung von der Gemeinde gewünscht und gebraucht wird. „Es sind noch viele Fragen offen.“ Kurz vor der Bürgermeisterin wurde die 1. Beigeordnete von Werder (Havel) in einem kurzen Gespräch mit dem Minister von den Plänen in Kenntnis gesetzt. Das Innenministerium glaubte da noch, dass sich der Standort in der Gemarkung Werder befindet. Er liegt nahe an der Gemeindegrenze.
Ivana Domazet, Sprecherin des Brandenburger Flüchtlingsrates, ist der festen Überzeugung, dass es in Brandenburg eine große Bereitschaft gibt, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen zu helfen. „Die Taktik des Innenministeriums ist aber genau die falsche“, sagte sie gestern gegenüber den PNN. Derartige Hauruckaktionen seien tödlich für die Willkommenskultur in den Kommunen. Zudem sei sie skeptisch, ob das abgelegene Fercher Gewerbegebiet ein geeigneter Standort für die Erstaufnahme von Flüchtlingen ist. „Gerade in den erste Wochen benötigen die Asylsuchenden eine funktionierende Infrastruktur, Anlaufstellen zur Erstberatung, Ärzte und Versorgungseinrichtungen dringender denn je.“ Man werde sich nächste Woche die Lage vor Ort genauer anschauen.
Domazet verwies auch auf ein Urteil, laut dem die Flüchtlingsunterbringung in Gewerbegebieten nicht erlaubt ist. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte im Juli entschieden, dass ein früheres Lehrlingswohnheim an einer Weiterbildungsstätte nicht als Asylbewerberunterkunft genutzt werden dürfe, da der wohnähnliche Charakter in dem Gewerbegebiet unzulässig sei. Zuvor hatte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim die Umnutzung untersagt.
Auch der Fercher Standort ist Teil des Gewerbegebiets und besonders abgelegen. Rundherum befinden sich Acker- und Obstanbauflächen. Am nächsten gelegen ist noch der Glindower Ortseingang, wobei bis zum Ortskern dann noch einige Kilometer zu gehen sind. Der Gewerbestandort soll an sich vergrößert werden, wegen des nahen Autobahnanschlusses gab es laut Bürgermeisterin Hoppe viele Nachfragen nach Ansiedlungsflächen.
Das Innenministerium warb gestern um Verständnis für die kurzfristige Ankündigung. „Die Kommunen wünschen sich natürlich immer, so etwas früher zu wissen“, so Ministeriumssprecher Ingo Decker. Man habe in den vergangenen Wochen allerdings mehrere Optionen geprüft, die meisten Standortüberlegungen hätten sich zerschlagen. Nur in Ferch habe man kurzfristig Kapazitäten gesehen. Dort sei noch nicht mal der Mietvertrag mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben unterschrieben. Zudem sei jetzt schon klar, dass auch die Fercher Außenstelle zur Erstaufnahme des wachsenden Flüchtlingsstroms nicht reichen wird.
Insgesamt stünden vier ein- bis dreigeschossige Wohnheime bereit. Dort sollen laut Decker vorwiegend Familien untergebracht werden. Neben mehreren Wachschutzleuten sollen drei Sozialarbeiter und ein Arzthelfer beschäftigt werden. Kerstin Hoppe erfuhr solche Details gestern von den PNN. Zur Information der Anwohner plant das Ministerium in Kürze eine Anwohnerversammlung.
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