Potsdam-Mittelmark: Atelierbesuch: Tischler Kyntschl sieht keine Gefahr, reich zu werden
Nuthetal – Es gibt keine Späne in der Werkstatt von Eberhard Kyntschl, er hat extra aufgeräumt für den „Tag des offenen Ateliers" am Sonntag. Eine Besucherin vermisst den Duft von frisch geschnittenem Holz, und da klingt es fast wie eine Entschuldigung als Kyntschl erklärt : „Eigentlich ist es eine richtige Werkstatt, so sieht es hier sonst nicht aus".
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Nuthetal – Es gibt keine Späne in der Werkstatt von Eberhard Kyntschl, er hat extra aufgeräumt für den „Tag des offenen Ateliers" am Sonntag. Eine Besucherin vermisst den Duft von frisch geschnittenem Holz, und da klingt es fast wie eine Entschuldigung als Kyntschl erklärt : „Eigentlich ist es eine richtige Werkstatt, so sieht es hier sonst nicht aus". Staubfrei sind auch die Hobel- und Drechselbänke, nur Kyntschls Schürze verrät, dass hier gearbeitet wird. Arbeitsspuren sind auch die Farbreste auf dem Steinboden. Doch die Besucher lockt anderes: Skulpturen, Schalen, Reliefs, Kerzenständer, Holzschmuck. Alles dekorativ auf Arbeitsbänken, Tischen und Regalen arrangiert zum Verkauf. Kyntschl wirft einen prüfenden Blick auf die Ausstellungsstücke, schüttelt leicht den Kopf und stellt lakonisch fest: „Die Gefahr, davon reich zu werden, besteht nicht". Der angewandte Bereich, wie man das früher nannte, spiele heute nicht mehr die Rolle wie zu DDR-Zeiten. Auch die öffentliche Auftragsvergabe gibt es nicht mehr. „Ich bin gezwungen, mit dem was ich mache, beweglicher zu sein". Holz ist der Werkstoff, mit dem sich der Holzgestalter seit 40 Jahren beschäftigt. Er hat Möbeltischler gelernt, die Fachschule für angewandte Kunst in Schneeberg absolviert und war lange Zeit beim VEB Umweltgestaltung und bildende Kunst. Kunst für Schulen, Läden, Kindergärten und Betriebe hieß das damals und gleichzeitig sicheres Brot. In dieser Zeit hat er sich auch die alte Scheune in Bergholz-Rehbrücke ausgebaut. Die war vor rund 25 Jahren noch in einem desolaten Zustand. Kyntschl hat sie Stück für Stück restauriert, erst zum Arbeiten, dann zum Wohnen. Drei Jahre hat er gebraucht, immer nach Feierabend. Eine symbolische Darstellung von Getreidepflanzen platzierte er neben dem Eingang. Ein ähnliches Objekt gestaltete er einst für das Zentrum der Land,- Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft Potsdam. Das war 1987. Jetzt baut er wieder Möbel, Einbauschränke, Treppen und restauriert antikes Mobiliar. „Ich mache auch ganz einfache Sachen. Wenn beispielsweise die Oma von nebenan mit einem kaputten Stuhl kommt, repariere ich auch den." Einige Aufträge bekam er von der Fernsehproduktion „Gute Zeiten, schlechte Zeiten". Da spielte eine Zeit lang ein Holzbildhauer eine Rolle und Kyntschl sorgte für das fachliche Ambiente, baute Skulpturen. „Sogar Späne wurden gebraucht, damit es echt aussah“, erinnert er sich und auch daran, dass er für die Serie Hanteln aus Holz baute. Die wurden dann so bemalt, dass sie aussahen wie echte 20-Kilo-Hanteln. Ab und zu hat Kyntschl damals auch in die Daily-Soap reingeschaut. Nach zwei Jahren lief aber der Vertrag aus, der Darsteller des Holzbildhauers wurde aus der Serie „rausgeschrieben“. Dem Dasein als Freiberufler kann er trotzdem auch Angenehmes abgewinnen: „Man ist nicht in eine Hierarchie eingebunden". Zudem ist Holz ein endloses Material, angefangen von der Stradivari bis zum Mastbaum von Schiffen ist alles möglich. Genügend Holz habe er eingelagert, „alles was so vor der Haustür wächst von der Linde bis zum Lebensbaum". Ihn inspiriert der innere Rhythmus des gewachsenen Holzes, ebenso das Volumen des Materials. Dann entstehen im eigenen Auftrag „die Sachen, die im Kopf sind“. Etwas von dem spannenden Prozess erleben auch die Besucher beim Werkstattbesuch, wenn sie mit den Fingern über die Holzflächen tasten und so etwas über den lebendigen Rohstoff erfahren. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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