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Kaum Äpfel: Auch Selbstpflücker müssen leiden

Für Werders Obstbauern ist das Erntejahr 2011 eine Katastrophe – auf Nothilfe warten sie vergeblich

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Werder (Havel) - Sonnenschein, bestes Erntewetter, doch die Freude bei Werders Obstbauern hält sich in Grenzen: Stefan Lindicke sammelt eine Handvoll Äpfel von seiner Plantage in Glindow ein. Die braunen Ringe am Blütenrest sind Frostspuren, erklärt er. Viele der geschädigten Früchte habe man schon im Sommer abgenommen, damit die gesunden Äpfel größer und kräftiger werden. Das hat zwar geklappt, der Ertrag fällt trotzdem mickrig aus. Der Obstbaumeister zeigt auf einen Rubinetten-Baum mit ein paar roten Tupfern. „Pro Baum hole ich da normalerweise fünf bis sechs Kilo runter, wo sollen die herkommen“, so Lindicke.

Für Werders Obstbauern ist das Jahr eine Katastrophe: Die tückischen Strahlungsfröste Anfang Mai hatten vielen Blüten den Garaus gemacht. Die Erdbeerernte war ein Desaster, der verregnete Sommer gab Kirschen und Pflaumen noch den Rest. Ausfälle von 50 bis 100 Prozent waren die Folge. Und auch der Apfel, für viele Obsthöfe Hauptkultur, hat massiv gelitten, wie sich immer drastischer zeigt: Die Märkische Obstbau in Groß Kreutz, einer der größten Betriebe der Region, wird in diesem Jahr nur 100 statt 2000 Tonnen ernten, so Geschäftsführer Manfred Seidel.

Schon im Juli sei die Hälfte des Stammpersonals auf die Straße gesetzt worden, sieben Leute. „Das ist für mich das zweite schwere Jahr.“ Wie Seidel fragt sich auch Thomas Giese von der Havelfrucht GmbH in Glindow, wie er über den Winter kommen soll. Auch bei ihm mussten fünf Leute gehen. Die Anlagen müssten mit deutlich weniger Leuten gepflegt und auf die nächste Saison vorbereitet werden. „Die Bäume müssen geschnitten, der Boden gedüngt werden. Pflanzenschutz und die Bewässerung müssen gesichert werden“, zählt Giese auf, „auch nach einer schlechten Ernte.“

Die Apfelerträge bekommen auch Fans der Selbstpflücke zu spüren: Viele Bauern verzichten ganz auf dieses Angebot. Auf dem Obsthof Lindicke wird es in diesem Jahr nur zwei statt sechs Selbstpflück-Wochenenden geben. Gala, Boskoop, Rubinette, Braeburn und Jonagold können für 90 Cent das Kilo eingesammelt werden – solange der Vorrat reicht. „Die paar Elstar mussten wir schon selbst abpflücken“, sagt Lindicke.

Er steht mit seinem knapp 50-prozentigen Apfelertrag noch vergleichsweise gut da. Auf seine vier Festangestellten wird er ab November dennoch verzichten müssen. Und Saisonarbeiter brauchte er nur halb so viele. Als Geschäftsführer des Werderschen Obst- und Gartenbauvereins ist Lindicke enttäuscht vom Landesverband Gartenbau Brandenburg, dem es nicht gelungen sei, Nothilfen für die gebeutelten Obstbauern durchzusetzen. „In der Baubranche geht das mit dem Kurzarbeitergeld doch auch.“

Verbandgeschäftsführer Andreas Jende zeigt Verständnis für die Kritik. „Es ist nicht so, dass wir nicht versucht hätten, etwas zu erreichen.“ Im Moment sehe es aber nicht gut aus, räumt er ein. Das Betteln um Adhoc-Hilfen gefällt ihm ohnehin nicht. „Wir wollen eine langfristige Absicherung durch eine kluge Kombination aus Mehrgefahrenversicherungen und der Möglichkeit, steuerlich begünstigte Rücklagen zu bilden“, sagt er. „In guten Erntejahren muss man die Obstbauern von den Ertragssteuern befreien, damit sie endlich Risikorücklagen bilden können“, fordert Jende. Auch ein Risikofonds mit finanzieller Unterstützung von Bund, Ländern und der EU wären sinnvoll, meint Jende. Es müsse im Sinne der Gesellschaft und der Politik sein, Obstbaubetriebe, die gesundes Obst produzieren und die Landschaft pflegen, zu erhalten. Für Werders Obstbauern alles Theorie: Im Katastrophenjahr 2011 warten sie vergeblich auf Unterstützung.

Apfel–Selbstpflücke bei Lindicke dieses und nächstes Wochenende 9 bis 18 Uhr, Gartenstraße / Ecke Mittelweg in Glindow.

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