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Potsdam-Mittelmark: Auf beiden Seiten der Havel

Am Caputher Gemünde wurde am Samstag Kunst aus Stroh präsentiert. Am anderen Ufer wurde gefeiert – ganz in Weiß

Stand:

Caputh - Ob das piekt? Prüfend streicht ein Junge mit der Hand über die Strohballen, die auf einem Holzrahmen gepresst wie ein Dach anmuten. Mit einem nackten Fuß testet er die Fläche, ehe er behend zum First hinaufklettert und von dort lässig auf dem Hosenboden hinunterrutscht. „Open House“ heißt das Skulpturen-Ensemble, das Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) am Samstag am Caputher Gemünde feierlich zum Ortsjubiläum präsentierte. Das Festmotto „700 Jahre – Leben am Wasser“ soll mit dem Kunstwerk erlebbar werden und daran erinnern, dass Stroh als Baumaterial für die ersten Häuser der Menschheit verwendet wurde.

Eine Woche lang hatten die Caputher Künstlerinnen Ilka Raupach und Malou von Simson gemeinsam mit ihrem Kollegen Marcus Brockhaus an der Strohinstallation gearbeitet, die nun als Begegnungsraum gleich neben der Fähre für den Rest des Jubiläumsjahres das Gemünde beleben soll. Den Aufstellungsort für das Kunstwerk hatte die Gemeinde vorgeschlagen, um den neu geschaffenen Uferweg zu verschönern. Doch schon Laudator Christoph Tannert stellte klar: „Das Kunstwerk ist durchaus ein ernstes Spiel.“ Denn dieser Ankerplatz für die Kunst sei nicht nur ein Angebot, sondern auch eine Kritik an fehlenden Visionen für den öffentlichen Raum in Caputh. So gebe es im Ort kaum Möglichkeiten, sich zu treffen, sagte Tannert.

Begegnungsmöglichkeiten im Ort vermisst auch eine Caputher Gemeindevertreterin, die ihren Namen aber nicht in der Zeitung lesen möchte. Den PNN sagte sie: „Früher war der Alte Dorfkrug der traditionelle Treffpunkt für Einwohner, ebenso für Gäste.“ Das sei nun lange her und die Sache mit dem Blütenviertel, in dem ein Treffpunkt etabliert werden sollte, ziehe sich auch schon viel zu lange hin, bedauerte sie. Dass die Jugendlichen des Ortes sich mittlerweile mit einem Treff vor dem Rewe-Markt begnügen, hat auch die Künstlerin Malou von Simson beobachtet. „Seit die Grundstückspreise an die Decke gehen, gibt es hier in Caputh nicht mehr viele Orte, die öffentlich bleiben.“ Da sei in den vergangenen Planungen wohl irgendetwas vergessen worden, glaubt sie. Von Simson weist hinüber zum anderen Ufer: „Es genügt eben nicht, nur einen kleinen traurigen Spielplatz einzurichten, wie dort drüben, sondern Anregungen zum kreativen Spiel zu schaffen.“ Die haben die Kinder im Areal der Strohskulpturen sofort entdeckt.

Auf die Idee zu der temporären Architektur mit Stroh kam das Künstlertrio, als es sich mit der Ortsgeschichte beschäftigte, berichtete Marcus Brockhaus, der von Hause aus eigentlich Metallbildhauer ist. „Wir wollten für das Projekt ein ökologisches Material verwenden und weil Stroh in früheren Zeiten für vieles genutzt wurde, wie Matratzen, Wandfüllungen und Dacheindeckungen, erschien es uns geeignet für den historischen Bezug zum Jubiläumsmotto.“ Allerdings sei es nicht einfach gewesen, das Weizenstroh so in Form zu bringen, dass die Umrisse eines Hauses erkennbar wurden. Die Herausforderung meisterten sie mit Holzrahmen. 60 Ballen hatten die Künstler verbaut und schon kurz nach der Fertigstellung der ersten Formen beobachteten sie, dass Spaziergänger nach anfänglich skeptischen Blicken die Objekte annahmen. „Sogar ein Picknick wurde schon darauf gemacht“, so Brockhaus.

Picknick war am Samstag auch am gegenüberliegenden Ufer angesagt: Ein weißes Fest am blauen Band der Havel sollte es werden. Wichtigste Regel ist die Kleiderordnung: Alle ziehen sich weiß an. Da mögen einige Caputher wohl vor ihrem Kleiderschrank kapituliert sein, denn an den langen, weiß gedeckten Tischen waren noch viele Plätze frei. Auch Plastikgeschirr ist tabu. Immerhin waren die mitgebrachten Speisen der rund hundert Teilnehmer bunt und nicht jeder trank nur Weißwein oder Wasser. Auch mondäne Kopfbedeckungen wurden zur Schau gestellt und verlangten ihren Trägerinnen bei Tische ein gewisses Maß an Haltung ab. Kleckern galt es zu vermeiden, da auf weißer Kleidung besonders auffällig. Ein bisschen erinnerte die weiße Gala, die da am Havelufer zelebriert wurde, an einen Rosamunde-Pilcher-Film. Solche Diners en blanc gibt es seit einigen Jahren in deutschen Städten. Ursprünglich kommt der Trend aus Paris, wohl auch weil Gott in Frankreich bekanntlich gerne isst. So soll im Jahr 1988 ein gewisser Francois Pasquier seine überfüllte private Gartenparty spontan in einen nahe gelegenen Pariser Park verlegt haben. Picknickkörbe und Kühltaschen reihten sich auch am Samstagabend neben den Tischen und für ein Ohrenschmankerl sorgte die Singgruppe Song. Doch schon nach den ersten Klängen zogen sich dunkle Wolken über der Havel zusammen und Minuten später fielen erste Tropfen.

Kirsten Graulich

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