Potsdam-Mittelmark: Auf dem Rücken der Pferde
Die Gesamtschule in Neustadt/Dosse bietet Reiten als Wahlfach an
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Die Gesamtschule in Neustadt/Dosse bietet Reiten als Wahlfach an Von Jule Scherer Statt Naturwissenschaft oder Französisch raus aus dem Klassenzimmer und rauf auf den Rücken eines Pferdes - ein Traum für viele Schüler. Für Vivien, Rebekka, Johanna und die anderen Mädchen der achten Klasse an der Neustädter Gesamtschule wird er jeden Dienstag Realität. Seit Beginn des Schuljahres 2001/2002 bietet die Schule „Reitsport“ als Wahlpflichtfach an. Vier Stunden pro Woche nimmt das Fach ein. Drei Stunden davon finden auf dem Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt am anderen Ende des Ortes statt, eine Stunde ist reine Theorie im Klassenzimmer. Zu Beginn einer Unterrichtseinheit auf dem Gestüt versammeln sich die Schülerinnen - in der achten Klasse haben nur Mädchen das Fach gewählt - in der Mitte des langen Stalltrakts. Dort beginnt Reitlehrer Hendrik Falk die Stunde jede Woche mit einer „Persönlichkeitsvermittlung“. Heutiges Thema: Der Händedruck. Ein Mädchen nach dem anderen gibt dem Reitlehrer die Hand. „Bei einem Händedruck erfahre ich viel über einen Menschen“, erklärt Falk. Durch die Schulung der Wahrnehmung des Gegenübers will er die Mädchen zu einem verantwortungsvollen Miteinander erziehen. Danach werden die Pferde zugeteilt und die Mädchen gehen in Zweiergruppen zu den Boxen, um dort ihre „vierbeinigen Freunde“ auf den Unterricht vorzubereiten. Gegnern des Unterrichtsfachs, die auf die PISA-Studie verweisen und die Schüler lieber bei Deutsch oder Mathematik sehen, bietet Reitlehrer Falk Paroli. „Wir unterrichten hier angewandte Mathematik, etwa bei der Berechnung von Raum und Fläche einer Pferdebox. Oder Physik, wenn wir die Baustoffe eines Stalls durchnehmen“, erklärt er. Die Schüler würden sehen, warum sie etwas lernen, und das fördere ihre Motivation. Zudem machten sie Erfahrungen, die sie in allen Lebensbereichen umsetzen können. Dazu gehören freies Sprechen, wenn sie ihre Mitschüler unterrichten, die Erkenntnis, dass Pferde nur „funktionieren“, wenn bestimmte Spielregeln eingehalten werden, sowie die Teamarbeit, wenn die Pferde in Zweiergruppen auf den Unterricht vorbereitet werden. Dass die Schüler von dieser Art Unterricht begeistert sind, ist klar. Aber auch von Lehrern und Eltern bekommt Falk positives Echo. Eltern freuen sich, dass ihre Kinder im Stall lernen, ohne Kraftausdrücke auszukommen. „Rutscht jemand einer raus, kommen 50 Cent in die Grillkasse,“ erläutert der Reitlehrer. Die Lehrer berichten von einer verbesserten Lerneinstellung. Die Schüler gäben nicht mehr so schnell auf, wenn sie vor einer schwierigen Aufgabe stehen. Beim Reiten hätten sie gelernt, sich selbst zu hinterfragen und auch einmal die Fehler bei sich zu suchen. Während die eine Hälfe der Reiterklasse in der Halle den richtigen Sitz beim Leichttraben lernt, heißt es für die andere Theorie büffeln. Sport- und Erdkundelehrerin Christiane Uhle sorgt für Ruhe in der Sattelkammer und teilt Arbeitsblätter aus, auf denen die einzelnen Teile des Hufes zu benennen sind. „Natürlich gibt es in Reitsport auch Noten,“ sagt die Lehrerin. Auf dem Lehrplan stehen Gesundheit, Fütterung und Haltung der Tiere. Durchgefallen sei wegen des Fachs noch niemand. Aber vielleicht hat ja die bei der Arbeit mit Pferden erlangte Motivation die eine oder andere Note in der Schule verbessert.
Jule Scherer
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