Potsdam-Mittelmark: Auf den Frosch gekommen
Lutz-Rüdiger Schöning erheitert mit Kurzgeschichten aus Glindow und der Welt / Heute Lesung in Stadtbibliothek
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Lutz-Rüdiger Schöning erheitert mit Kurzgeschichten aus Glindow und der Welt / Heute Lesung in Stadtbibliothek Von Andrea Röder Werder · Glindow - „Wie geht denn der Frosch abzustellen?“ Die Frage wurde Lutz-Rüdiger Schöning nicht nur einmal von übernächtigten Nachbarn gestellt. Der Autor lebt mit seiner Familie in einem beschaulichen Viertel von Glindow, hinter dem Haus ein kleiner Garten, davor ein idyllischer Teich. Dessen Frosch belästigt nur allzu gern die Nachbarn, die mit Hund eines der anderen hübschen Reihenhäuser besetzt haben. Nette Leute, keine Frage. Aber eben keine Froschliebhaber. Begegnungen wie diese sind ein gefundenes Fressen für Schöning. In einem Interview hat er mal Schriftsteller mit Menschenfressern verglichen, weil sie alles aufsaugen, was ihnen begegnet. Geradezu als Sucht empfinde er es, so viel wie möglich über alles und jeden in seiner Umgebung zu erfahren. Banalste Begebenheiten seien nicht selten die amüsantesten – wie gemacht für Schönings satirische Kurzgeschichten. Mit Fingertipp an die Schläfe konstatiert der 65-Jährige: „Ich wäre mit dem Klammersack gepudert, wenn ich das nicht aufsammle.“ Und er sammelte fleißig. Knapp zwei Dutzend Anekdoten umfasst sein jüngstes Buch. Dessen Titel „Piazza Aperto“ bedeutet übersetzt „Geöffneter Platz“ und umschreibt das abendliche Treiben auf dem Marktplatz einer toskanischen Kleinstadt, von dem sich Schöning und seine Frau im vergangenen Urlaub so beeindruckt zeigten. Von überschäumender südländischer Mentalität, über nervtötendes Frosch-Gequake, Tauschgeschäfte mit Sowjetsoldaten bis hin zur Amerikanisierung der deutschen Sprache – Lutz-Rüdiger Schöning lässt kaum ein Thema aus. Bunte Flicken seiner Erinnerungen vernäht in einem Buch. Eben Patchwork-Literatur, um sogleich ein Beispiel für das grassierende und von Schöning kritisierte „Denglisch“ zu liefern. Zum Schreiben fand Schöning erst während seiner Zeit bei der Nationalen Volksarmee. Dort entwickelte er den „Drang sich abzulenken, was anderes zu machen“. So begann er kleinere Zeitungsartikel zu verfassen. „Ich hab sogar Gedichte verbrochen“, gesteht er mit gespielt angsterfüllten Augen. „Die waren wirklich ganz übel.“ 1979 wurde Schönings erste Novelle „Fahrerwechsel“, veröffentlicht. Dem Debüt folgten „Stehversuche“, eine Erzählung, die gleichfalls Erlebnisse aus Schönings Armeezeit zum Gegenstand hatte. Ebenso „Der General in der Straßenbahn“, in dem er erstmals heitere Kurzgeschichten niederschrieb. Als relativ unheiter wurden sie allerdings von seinen Vorgesetzten empfunden. „Jede zweite Geschichte eckte an“, erinnert sich der Autor. „Mein Verlagsdirektor musste sich mehrfach rechtfertigen, warum er diese Satire zugelassen hat.“ Der Veröffentlichung seines vierten Buches kam die Wende dazwischen. Erst im Herbst 2000 meldete er sich mit „Brückenschläge“ zurück, einer geballten Ladung ost-west-deutscher Fabeln. Trotz langer Schreibpause blieb Schöning ununterbrochen im Literatur-Kollegium Brandenburg aktiv, seit zwei Jahren als Vereinsvorsitzender. Eine Arbeit, die ihn gleichermaßen zu erfüllen und aufzureiben scheint. Erfüllend die Erlebnisse, die er im Kollegium mit rund 100 Schreibenden teilt. Aufreibend die Erkenntnisse, dass die Zeiten stetig schwieriger werden. Ans Aufhören denkt der Autor jedoch nicht. Derzeit arbeitet er an einer romanhaften Dokumentation mit autobiographischen Zügen – quasi seinen „Anlagen zum Lebenslauf“ –, die eventuell noch in diesem Jahr publiziert wird. Lutz-Rüdiger Schöning liest heute um 19.30 Uhr in der Stadtbibliothek Werder (Havel) aus seinem aktuellen Buch „Piazza Aperto“.
Andrea Röder
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