KulTOUR: Auf der Suche nach den Höhepunkten
Zwischen Kunst und Genuss. Ein Rückblick auf das Kulturjahr 2013 in Potsdam-Mittelmark
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Potsdam-Mittelmark - Alles gut, alles schön. Auch das abgelaufene Jahr wird in Potsdam-Mittelmark ein erfolgreiches gewesen sein, dank einer opulenten Kulturförderung durch allerlei Ämter, aber natürlich auch durch die ungezählten Initiativen jener, denen Kunst und Kultur so am, im, auf oder gar unter dem Herzen liegen. Nicht nötig, all das Gute zwischen Werder und Stahnsdorf, Töplitz und Nudow noch einmal zu erwähnen, das wurde getan und besprochen.
Doch waren kulturpolitische Glanzleistungen landauf, landab viel zu selten auch künstlerische Höhepunkte. Wussten nicht schon die uralten Römer, wie rar sich das Besondere macht? Kunst ist das Besondere, das nicht Erlernbare, als regierender Geist auch das Unstoffliche. Sie ist weder etwas für Bastelstuben noch irgendein inflationierendes Massengut für einsame Leinwände und Notenpulte, erst recht kein Heilmittel für eitle Befindlichkeiten trostloser Herzen. Welcher Idiot nur hat diese unselige Gleichung „Kunst gleich Genuss“ in die Welt gesetzt! Quer durch die Genres verdirbt sie Macher wie Publikum gleichermaßen: Den Künstler oder Interpreten lässt sie oberflächlich werden, den Rezipienten faul und träge.
Genuss ist immer Passivität, er gibt sich mit Betrachtung und Bewunderung zufrieden. Kunst ist bekanntlich ein Aktivum, wenigstens war das vor gut zwanzig Jahren noch so. Da galt sie als Muntermacher, als kritischer Lebensbegleiter. Heute behandeln Barbaren und Banausen sie wie ein Sedativum. Wo das so ist, sind ihre Werke wie zur Strafe beschaulich, langweilig, oberflächlich, reglos statt anregend, oft ohne Geist, der stets das Salz in der Suppe ist. Wenn alles gut und schön ist, zieht es jede Kunst auf und davon. Ihre leeren Hüllen kann man dann in den vollen Sälen genießen!
Das Avers ist das Handwerk, das Revers die Kunst. Wo nichts dahinter ist, da ist sie auch nicht, da suchte man sie vergebens. Natürlich findet man hier und da auch mal eine Perle, im alten Haus am See zum Beispiel, vielleicht auch bei den Kossäten in Ferch. Dann aber fragt man sich, warum ein gewisses „Geschoss“ in Werder längst aufgehört hat zu schießen, warum die Kunsttour in Caputh im Gegensatz zu den örtlichen Musiken zum unverzichtbaren Posten im kulturellen Kontinuum geworden ist – sucht man nicht immer das Besondere dahinter?
Unter den Theatern bemühte sich wenigstens die Comédie Soleil in Werder, einen Warn- und Bildungsfaktor unters Volk zu bringen, andere heben mehr das Veranstalterische hervor. Und die Literatur? Nichts darf in einem Dichterhaus zum Bildungsbürgergut erstarren!
Bleibt das Publikum landauf, landab. Da die unübersehbare Künstlerschar es sich weitgehend gemütlich gemacht hat und die Kunst – natürlich nicht nur in Mittelmark – zum Genuss-Mittel verkommt, hat auch der Rezipient kein Problem, völlig gefahrlos zwischen all den Angeboten zu wandeln. Kein Skandälchen, kein Garnichts trübte ja den Kunstgenuss in PM, alles korrekt, alles im Lot, das neu Geschaffene wie auch das sorgsam gepflegte Alte. Wo war denn die Frage nach der inneren Existenz eines Menschen, wo eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Zustand und dem Bösen der Welt, mit dieser immer morscher werdenden Gesellschaft?
Gemütlichkeit, bürgerliche Wohlanständigkeit, Konfliktscheue – auch so könnte man dieses Jahr charakterisieren. Längst scheint man sich aus jeder Verantwortung gestohlen zu haben – nicht erst seit heute, und nicht nur in Potsdam-Mittelmark. Alles gut, alles schön eben! Na eben! Gerold Paul
Gerold Paul
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