Potsdam-Mittelmark: Auf der Suche nach Lebensspuren
Seit sechs Jahren arbeitet die Kleinmachnower Künstlerin Beate Lein-Kunz im Teltower Gewerbezentrum an der Oderstraße
Stand:
Seit sechs Jahren arbeitet die Kleinmachnower Künstlerin Beate Lein-Kunz im Teltower Gewerbezentrum an der Oderstraße Von Kirsten Graulich Teltow. Weiße Stoffbahnen verhüllen Regale und Bilderstapel im Atelier von Beate Lein-Kunz. Nichts soll beim Arbeiten ablenken, der Kopf muss frei sein, sagt sie. Unverhüllt bleibt nur das große Fenster, das eine ganze Wand einnimmt und den Blick freigibt auf die Einkaufsmärkte der Teltower Oderstraße. Dass dort draußen ständig Autos vorbeijagen und Leuchtreklamen blinken, stört die Künstlerin nicht. „Für mich ist das ein riesiger Bildschirm, der mir das Gefühl gibt, mitten im Leben zu sein." Vor diesem Bildschirm stehen seit einigen Tagen, ausnahmsweise, einige Skulpturen und Gefäße. Ein Zugeständnis aus Anlass des offenen Ateliertages, um Besucher zum eigenen kreativen Tun anzuregen. Alle haben mitgemacht und aus einem Stroh-Lehm-Gemisch Kugeln, Kränze und Säulen geformt, berichtet sie. Besonders das Durchmischen sei eine sinnliche Erfahrung, die nicht nur den Kindern Spaß gemacht habe. Insgesamt wurden an diesem Tag sieben Töpfe mit Stroh und Lehm verarbeitet, erzählt sie. Auch für die Bilder interessierten sich Besucher, die in den Stapeln stöbern durften. An fantastische Urwelten erinnern Arbeiten mit erdigen und aufgerissenen Farbstrukturen, die die Künstlerin mit Ton, Sand und Wachs vermischt hat. Einige dieser fühlbaren Bildwelten assoziieren Fragmente von Tieren, Pflanzen in Mikrostrukturen und Subwelten. Energiegeladen wirken ihre figuralen Zeichen, die fast aus dem Bildraum zu springen scheinen. Auf der Suche nach Lebensspuren kommt es auch vor, dass sie mit dem Stift das Papier durchbohrt. Das gehört für sie zum Malprozess, der Verletzungen und Zeiterfahrungen dokumentieren soll. Vor allem Ordnungen am Rande des Chaos beschäftigen sie. Aus diesem Chaos eine künstlerische Form gewinnen, ist ein Thema, dem sie sich seit Jahren anzunähern versucht. Anregungen für diese optische Dramaturgie erhält die Künstlerin im Alltag. Manchmal sind es auch Nachrichten von Ölkatastrophen oder Kriegen, die sie zu ihren bildnerischen Niederschriften bewegen. So wie die beiden Figuren, die sich in kriegerischer Pose auf einem Boot gegenüber stehen. Jeder schwingt ein Paddel über seinem Kopf, bereit den anderen von Bord zu stoßen. Ob die beiden sich noch entscheiden, gemeinsam an Land zu paddeln, um den stürmischen Wellen zu entkommen, bleibt ungewiss. Auch Dinge, die von den meisten im Alltag nicht beachtet werden, sind für Lein-Kunz bildwürdig. So klebte sie auf Papier die Federn eines Vogels, der Beute eines Raubtieres wurde und gibt damit dem Betrachter das Notwendige, um seine Mitwirkung zu provozieren. Ob sie zweidimensional oder aus einem Stroh-Lehm-Gemisch Skulpturen formt sei abhängig vom Thema, sagt sie. Natürlich könne sie ein Thema auf Papier rascher bearbeiten und am liebsten tue sie das am Boden, weil sie dabei das Papier auch betreten könne. Zudem inspiriere sie auch die kreative Ausstrahlung ihres Atelierraumes. Gespürt habe sie die schon als sie das erste Mal den Raum betrat. Das war vor sechs Jahren, da war sie mit Mann und Kind gerade von Ulm nach Kleinmachnow gezogen und suchte einen Arbeitsraum. Der Raum mit den großen Sprossenfenstern in dem ehemaligen Teltower Baubetrieb hatte es ihr sofort angetan. „Das isses", hatte sie schon an der Tür gewusst. Seitdem arbeitet sie vormittags, wenn ihre beiden Töchter in Schule und Kindergarten sind, in ihrem Atelier. Manchmal nimmt sie auch eine Kettensäge in die Hand, um Holz zu bearbeiten. Für manche Themen sei Holz geeigneter, da käme der Ausdruck noch besser raus, sagt sie. Auch Schweißen sei für sie kein Problem und sie ist sicher, dass ihre praktische und kreative Begabung ein Erbe aus langer familiärer Handwerkertradition sei. Denn auch Schwester und Bruder hätten viel kreatives Talent geerbt und aus allem, was verfügbar war, etwas basteln können. „Wir Kinder wussten genau, wo die Lehmstellen sind und unsere Eltern haben unsere Kreativität ermuntert". Aber zum Glück hätten die Eltern nichts überbewertet, so dass vieles reifen konnte, ohne den Druck einer Erwartungshaltung. Daher war es auch ihre Entscheidung als sie nach fünfjähriger Arbeit als Sozialpädagogin 1982 ein Bildhauerstudium an der Freiburger Kunstschule aufnahm. Danach absolvierte sie in Pitsburgh ein Aufbaustudium und seit 1989 arbeitet sie freiberuflich. Mit dem Verkauf ihrer Arbeiten kann sie vorerst ihre Ateliermiete bezahlen. Wichtiger ist ihr aber, wie Käufer mit ihren Bildern leben und manchmal leiht sie Freunden auch mal eine Arbeit aus, um zu erfahren wie es ihnen damit geht.
Kirsten Graulich
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: