
© Manfred Thomas
Von Tobias Reichelt: Auf Höhenflug
Flugsicherung kündigt an: Düsenjets werden viel höher über Teltow fliegen / Protest hält an
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Region Teltow - Die Region Teltow könnte vom Fluglärm entlastet werden. Das erklärte die Sprecherin der Deutschen Flugsicherung, Anja Naumann, gestern gegenüber den PNN. Erstaunlich: Der Grund dafür sollen genau die Flugrouten-Entwürfe sein, die in den vergangenen Tagen für Protest gesorgt hatten – im Gegensatz zu allen bisherigen Plänen für den Großflughafen Berlin-Brandenburg-International führen die Routen über Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf. Viele Menschen befürchten, dass der Fluglärm vor Ort zunimmt. Jetzt stellte die Sprecherin der Flugsicherung klar: Den Entwürfen nach werden die Düsenjets deutlich höher über Teltow und angrenzende Berliner Stadtteile unterwegs sein, als es heute der Fall ist.
Schon jetzt fliegen täglich etliche Maschinen aus Schönefeld über die Region, sagte Naumann. Dabei erreichten die Flieger eine Höhe von 1000 bis 1300 Meter. Werden ab Mitte 2012 hingegen die Flugrouten für den neuen Flughafen wie geplant umgesetzt, sollen die Düsenjets in 2300 bis 2700 Metern Höhe fast doppelt so hoch fliegen – ab etwa 3300 Meter gelten Flugzeuge als nicht mehr lärmrelevant. Bislang hatten Bürgerinitiativen angenommen, dass die Flieger in etwa 1700 Meter Höhe über Teltow schweben. In dieser Höhe würden sie eine Lautstärke von 60 Dezibel erzeugen und Gespräche im Freien übertönen.
„Wir versuchen uns mit den Flugrouten dem Idealfall so zu nähern, dass möglichst wenige Menschen vom Fluglärm betroffen sind“, sagte Flugsicherungs-Sprecherin Naumann. Die am 6. September vorgestellten Routen seien aus Lärmgesichtspunkten die bestmögliche Lösung. Flughafennahe Kommunen wie Blankenfelde/Mahlow würden vom „wirklichen Fluglärm“ entlastet, und in der Region Teltow seien die Flieger höher unterwegs als heute. Der Haken: Es werden deutlich mehr. Täglich sollen ab 2012 rund 800 Flugzeuge am Großflughafen starten oder landen. Bis 2015 soll die Zahl auf etwa 900 steigen. „Nur die Hälfte der Flieger wird über Berlin fliegen“, sagte Naumann. Und nochmals weniger über die Region Teltow. Genaue Zahlen konnte sie nicht nennen.
„Wo Lärm ist, wird es emotional“, sagte Naumann. Die Debatte um die neuen Flugrouten müsse versachlicht werden. Am Montag will die Flugsicherung in der Fluglärmkommission über die zu erwartenden Beeinträchtigungen informieren. Im Anschluss werden auch die Bürgermeister der Region Teltow informiert, sagte Naumann. Die Flugsicherung sei weiterhin für Einwände offen. „Es gibt noch Spielraum.“ Erst ab Mitte 2011 werde abschließend über die Routen beraten.
Auch BBI-Sprecher Ralf Kunkel bemühte sich am Dienstag, die Lage zu beruhigen. Bezüglich der Routen gebe es nicht nur Optimierungsbedarf, „sondern auch ein großes Optimierungspotenzial“. Schon nach jetzigem Stand seien Wannsee, Stahnsdorf und Teltow weit davon entfernt, Lärmschutzgebiete zu werden.
Ob sich der Protest gegen den Fluglärm in der Region damit beruhigen lässt, ist aber fraglich. Erst am Montagabend hatten sich in Kleinmachnow rund 1500 Menschen zur Kundgebung versammelt – mehr Menschen als auf drei vorhergehenden Veranstaltungen in Teltow und Stahnsdorf. Binnen kurzer Zeit wurden in den drei Orten über 5000 Unterschriften gesammelt.
„Gemeinsam sind wir stark“, verkündete Kleinmachnows Bürgermeister Michael Grubert (SPD) am Montag. Man sei vom drohenden Fluglärm überrascht worden. „Es kann nicht sein, dass wir plötzlich wie Kai aus der Kiste mit Lärm belastet werden.“ Er forderte, zu den bislang im Planfeststellungsbeschluss aus dem Jahr 2004 angegebenen Flugrouten zurückzukehren. Demnach würden die Flieger Teltow, Kleinmachnow und Stahnsdorf umgehen – anders als in den jüngst vorgestellten Entwürfen. Grubert will dafür sogar rechtliche Schritte prüfen. „Es gibt ein Lärmkataster in der Planfeststellung – soll das keine Rolle mehr spielen?“ Ihm dränge sich der Eindruck auf, dass man die neuen Flugrouten bewusst verschwiegen habe, bis soviel Geld in den Flughafen investiert wurde, dass er nicht mehr zu verhindern sei.
Tatsächlich verweist die Flugsicherung darauf, dass Brandenburgs Verkehrsministerium bereits 1998 über mögliche Routenänderungen informiert wurde. Auf Antrag der Linken-Fraktion soll das Thema nun im Landesverkehrsausschuss am 30. September behandelt werden.
Der Ärger ist auch bei Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) groß. „Wir lassen uns nicht über den Tisch ziehen“, sagte er den Demonstranten. Schmidt forderte die Aufnahme der Kommunen in die Fluglärmkommission – dort wird über die Flugrouten beraten. Zudem wolle man die Bürgerproteste bündeln. Schmidt bot den Initiativen im Teltower Rathaus ein Büro an.
Auch die anwesenden Vertreter der Bürgerinitiativen kündigten ein gemeinsames Vorgehen an. Sie riefen zur nächsten Kundgebung am Samstag, dem 25. September, von 9 bis 13 Uhr in Berlin Lichtenrade auf. Der Protest müsse fortgeführt werden, mahnte der Sprecher der Stahnsdorfer Bürgerinitiative, Hans-Joachim Pfaff. „Das Leben in der Region wird sich dramatisch verändern“, sagte Pfaff. Aller Beteuerungen der Flugsicherung zum Trotz sei er fest davon überzeugt: „Die Flugzeuge werden laut.“
(mit das/za)
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