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Der letzte Händler. Auf Teltows Wochenmarkt herrscht gähnende Leere, nur Burkhard Schramm ist geblieben.

© Tobias Reichelt

Von Tobias Reichelt: „Auf und davon“

In Teltows Altstadt sollte sich ein Markt etablieren. Weil daraus nichts wurde, ist ein Umzug geplant

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Teltow - Mit Tippelschritten nähert sich Frau Kingel dem wartenden Markthändler Burkhard Schramm. „Hier bekommt man ja Platzangst“, ruft ihm die alte Dame schon von weitem zu. Mit Ironie ist das magere Marktgeschehen in der Teltower Altstadt besser zu ertragen. Die Pflaumen duften, die grünen Bohnen leuchten und daneben stehen Wachteleier. „Das ist ja direkt ulkig hier“, sagt die Rentnerin, als sie vor Schramms Stand steht, „das ist doch kein Markt.“ Schramm ist am Dienstagmorgen der einzige Händler. Alle anderen sind weggeblieben – oder schnell wieder verschwunden.

Erst vor knapp acht Wochen hatte die Stadt Teltow begonnen, in ihrer Altstadt einen Wochenmarkt zu etablieren. Der alte Marktplatz vor dem sanierten Rathaus sollte mit Leben gefüllt werden, Marktschreier ihre Waren anpreisen, Teltower und Gäste den alten Stadtkern neu kennenlernen. Geplant war, dass sich die Händler Dienstag und Samstag hier versammeln. Platz für 18 verschiedene Stände hatte man angeboten, auf Mietgebühren verzichtet. Doch statt buntem Treiben herrscht vor dem Rathaus weiter trostlose Leere.

„Der Markt ist auf und davon“, sagt Händler Burkhard Schramm. Rentnerin Kingel ist an diesem Morgen seine sechste Kundin. „Das lässt sich für mich gar nicht mehr rechnen.“ 50 Kilometer muss der Händler von Kloster Lehnin bis nach Teltow fahren, um hier Zwiebeln, Eier, Gurken und Obst anzubieten. Er war einer der Ersten auf dem Platz. Woche für Woche seien es weniger geworden, erzählt Schramm. Selbst an diesem Morgen hatte sich noch ein Korbmacher neben seinem Marktstand aufgebaut. Nach einer Stunde war der Mann weg. Woanders könne er mehr verdienen, habe er gesagt. „Wer kann es ihm verdenken“, sagt Schramm.

Enttäuscht ist auch Christel Gehrmann: „Ich hatte mich so auf den Markt gefreut“, erzählt die Teltower Rentnerin. Oft ist sie in den vergangenen Wochen aus der Neuen Wohnstadt hergelaufen. Zu Beginn sah es ganz gut aus, berichtet sie. Es gab Fleisch und Wurst, einen kleinen Stand mit Messern, und auch Fisch oder Pizza wurden angeboten. Doch nach und nach blieben die Händler weg. „Letzte Woche waren es wenigstens noch zwei“, erzählt sie. „Ich finde es traurig, dass Teltow keinen Markt zustande bringt. In so vielen Städten gibt es Bauernmärkte, nur in Teltow nicht.“ Für 1,40 Euro kauft Gehrmann einen kleinen Korb voll Bohnen. Für sie reiche das, sagt sie, während Markthändler Schramm die Cents in seiner Hand zählt.

Von seinem Bürostuhl aus kann Teltows Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) direkt auf den Marktplatz vor dem Rathaus blicken. „Marktgeschehen“ könne er das, was er dort sehe, leider nicht nennen. „Wir hatten uns mehr erhofft, gerade an den Dienstagen“, sagt Schmidt. Am Behördentag sei immer viel los im Rathaus. Teltower gingen dann ein und aus, um neue Ausweise abzuholen oder vielleicht auch ein Fahrrad abzuwracken. Schmidt hatte auf den Synergieeffekt gesetzt, zu spüren war er nicht. Deshalb will die Stadt jetzt umsteuern.

Teltows Wochen- und Frischemarkt soll so schnell wie möglich auf den neuen Parkplatz an der Knesebeckbrücke, an derStadtgrenze nach Zehlendorf, umgesiedelt werden. Nur die Wasser- und Stromanschlüsse müssten noch gelegt werden. „Der neue Standort soll helfen, dass der Markt besser angenommen wird“, sagt Schmidt. Dort sei viel Verkehr, die Leute hätten einen Platz zum Parken direkt neben dem Markt. Die Kaufkraft der Altstadt allein reiche eben nicht, um den Markt zu etablieren. Dennoch will sich der Bürgermeister nicht vom Marktprojekt in der Altstadt verabschieden. „Wenn sich der Markt am neuen Standort etabliert hat, könnten wir auch wieder umziehen.“ Bis Ende des Jahres bleibe der Marktplatz gebührenfrei.

Händler Burkhard Schramm will den neuen Platz zumindest ausprobieren. „Vielleicht kommen da mehr Kunden“, sagt Schramm.

Und als Rentnerin Kingel mit einem Kilo Pflaumen wieder nach Hause tippelt, ruft er ihr über den leeren Marktplatz noch hinterher: „Wenn sie gehen, dann lassen sie die Tür auf.“

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