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Potsdam-Mittelmark: Aufschlussreiche Gästelisten Neue Details über prominente Kleinmachnower

Kleinmachnow - Sein Vater hatte einige Orgelpfeifen aus der Kleinmachnower Dorfkirche mit nach Hause gebracht, die sich mit einer Hand zu Brei zerdrücken ließen, erinnerte sich Wolfgang Jann jüngst bei einem Treffen des Heimatvereins. Schuld am Zerfall war der Holzwurm, er ließ das Instrument verstummen.

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Kleinmachnow - Sein Vater hatte einige Orgelpfeifen aus der Kleinmachnower Dorfkirche mit nach Hause gebracht, die sich mit einer Hand zu Brei zerdrücken ließen, erinnerte sich Wolfgang Jann jüngst bei einem Treffen des Heimatvereins. Schuld am Zerfall war der Holzwurm, er ließ das Instrument verstummen. Für seinen Vater, Georg Jann, der 1937 in der Gemeinde gerade die Stelle als Lehrer und Organist angetreten hatte, wurde die kaputte Orgel zur Herausforderung. „Er hat sie wieder zum Klingen gebracht“, berichtete der Sohn stolz. Denn dem Vater gelang es seinerzeit, die bekannte Firma Schuke aus Potsdam für die Erneuerung des Instrumentes zu verpflichten. Schon ein Jahr später erfüllten die vollen, warmen Orgeltöne wieder das Gotteshaus.

Im Zuge seiner heimatgeschichtlichen Forschungen zu prominenten Kleinmachnowern hat sich der Autor Harald Kretzschmar jetzt auch mit dem Leben Georg Janns beschäftigt und ist auf interessante Details gestoßen. So wurden auf den Aushängen für Konzerte Georg Janns in der Winterzeit die Zuhörer seinerzeit noch gebeten, „ein Scheitholz mitzubringen“, nebst der Anmerkung: „Die Kirche ist geheizt“. Auch Sohn Wolfgang zog in den fünfziger Jahren alle Register der Orgel, denn für beide evangelische Kirchen gab es nur einen Organisten, also spielten sie abwechselnd zu den Gottesdiensten.

Zu hören war Musik aber auch im Hause des Kantors, gegenüber der Dorfkirche in der Zehlendorfer Straße 212. Regelmäßig fanden dort Musikabende statt, zu denen Musiker wie der Cellist Georg Wille und die Sängerin Elisabeth Asmuß eingeladen waren. Auf den handgeschriebenen Programmen, die Werke von Bach, Telemann bis Schubert ankündigten, finden sich auch die Unterschriften der Zuhörer. Darunter manch bekannte Namen, was Harald Kretzschmar folgern lässt: „Kleinmachnow war schon damals ein Paradies der Begegnungen“. So sind auch die Unterschriften von Martha und Karl A. Götze auf einem Programmzettel zu lesen.

Der Maler und Keramiker Karl A. Götze gehörte zu den ersten Künstlern, die es in das waldreiche Kleinmachnow zog, um dort ein Haus zu bauen. Seine Großnichte, die Potsdamerin Sibylle Schmeichel hatte zu Kretzschmar Kontakt aufgenommen und stellte Bilder aus dem Nachlass ihres Onkels vor, die sie dem Heimatverein als Leihgabe überlassen würde, falls der Ort ein Heimatmuseum bekäme. Auf den Temperabildern sind Berliner Alltagsszenen aus der Zeit um 1900 zu sehen. Zu jedem Bild gibt es Erläuterungen, wie zu Zylinder-Paule, einem schwarz gekleideten Herren, der kleine weiße Kindersärge unterm Arm transportierte und den Gehweg nicht nutzen durfte.

Nur unweit vom Haus des Malers entfernt, in der Straße Auf der Drift 12, lebte ab 1938 der Altphilologe Walther Kranz mit seiner Frau Erna, einer Jüdin. Ihretwegen verlor er 1937 seine Lehrberechtigung. In Kleinmachnow schrieb er zwei Standardwerke zur griechischen Philosophie. Das Haus kennzeichnet ein kubistischer Baustil, weil es als Judensammelhaus diente, heißt es im Volksmund „Judenkasten“.

Die Studentin Geraldine Fritzsche beschäftigte sich in ihrer Bachelorarbeit mit dem Gebäude. Dem Ehepaar Kranz gelang Ende 1944 die Ausreise nach Istanbul. Kretzschmar, der in seinem 2008 erschienenen Buch „Paradies der Begegnungen“ den Künstlerort porträtierte, will den Fokus der Forschungen nun auf Pädagogen und Wissenschaftler richten. Auch für diese Forschungen gilt: Ein Ende ist nicht absehbar. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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