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Posträuberin angeklagt: Aus Angst um die Tochter die Post ausgeraubt

Einer Türkin werden Überfälle in Berlin und in einem Potsdamer Vorort angelastet. Am Dienstag nannte sie im Landgericht den Hintermann der Taten.

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Potsdam - Es war ein Moment, wie man ihn in einem Gerichtssaal nicht oft erlebt, verstörend und wohltuend zugleich: Tränen flossen, als sich die Täterin und ihr Opfer über einen Postraub austauschten, das Gericht ließ sie gewähren. „Es tut mir so leid. Ich habe zu Gott gebetet, dass sie sagen, sie haben kein Geld, und ich einfach wieder gehe“, sagte die 47-jährige Radija F.*. „Aber dann waren sie so höflich.“ Sie habe viele Schulden und jemand habe gedroht, ihrer Tochter etwas anzutun, wenn sie den Raub nicht begehe. „Ich war wie im Tunnel, sah nur meine Tochter.“

Astrid F.*, Inhaberin einer bereits viermal ausgeraubten Postagentur in einem Ort bei Potsdam, der zum Schutz der Opfer hier nicht genannt wird, ließ das nicht unbeantwortet. „Jeder bekommt irgendwo Hilfe. Wenn sie kein Geld wollten, hätten sie ohne Pistole und Sturmmaske kommen müssen. Wissen Sie eigentlich, was Sie uns angetan haben?“

Der Fall liegt knapp ein Jahr zurück

Verhandelt wurde über einen Fall, der knapp ein Jahr zurückliegt. Die Deutsche türkischer Abstammung, Radija F. aus Berlin-Wilmersdorf, hatte ein Taxi aus der Flotte ihrer schlingernden Firma zur Verbrecherkutsche umfunktioniert. Sie fuhr damit, nachdem sie ihre Tochter zur Schule gebracht hatte, am 23. Februar in den betreffenden Vorort, stattete den Wagen mit gestohlenem Nummernschild aus und zog die Sturmhaube übers Gesicht.

Mit einem 38er Weihrauch- Revolver in beiden Händen begab sie sich – ruhig und konzentriert – in den Laden, forderte von der hier arbeitenden Tochter der Inhaberin das Geld aus der Kasse und die Briefmarken. Als sie auch an den Tresor wollte, stießen die Inhaberin und zufällig auch eine Kundin hinzu. Alle drei mussten ins Hinterzimmer. Der Tresor war durch ein Zeitschloss gesichert und unerreichbar. Mit 432 Euro und Briefmarken für 4760 Euro fuhr Radija F. zurück nach Berlin.

Wer die 1,60 Meter große, zierliche Frau gestern mit Kopftuch und Strickjacke im Saal des Potsdamer Landgerichts gesehen hat, mochte kaum glauben, dass sie aus eigenem Antrieb einen Raubzug unternimmt. Doch 20 Tage später wurde sie von der Polizei erwischt, als sie am helllichten Tage in ähnlicher Manier eine Postagentur in Berlin ausrauben wollte. Dass der Raub mit dem mittelmärkischen Fall zu tun hatte, war noch am selben Tag klar.

Lange Gefängnisstrafe für ähnliche Tat in Berlin

Für die Berliner Tat bekam sie eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren und neun Monaten, ihre Unwilligkeit an der Aufklärung trug zum hohen Strafmaß bei. Sie nahm sich einen neuen Rechtsanwalt, ging in Revision. Gestern im Landgericht zog sie die Revision zurück und packte in allen Details zum Hintermann der Postraube aus: Yasar L.*, Kurde aus Kreuzberg, der ihr 10 000 Euro geliehen habe – die sie nicht im vereinbarten Tempo abzahlen konnte. So wurde sie kriminell.

Das Landgericht wird zum nächsten Verhandlungstermin kommenden Dienstag aus zwei Strafen eine machen – und dabei wohl die Kooperationsbereitschaft, Reue und das Schicksal von Radija F. einbeziehen. Sie schilderte, wie sie mit ihrer Firma ins Straucheln geraten war, wie sich zigtausende Euro an die Darlehens- und Steuerschulden auftürmten. Als die letzten Raten für drei Taxen fällig wurden, benötigte sie ganz dringend 10 000 Euro.

Eine Freundin vermittelte ihr einen Bekannten, der gab das Geld. Der Deal: Monatlich zahlt sie 500 Euro ab. Sind die Bankkredite nach acht Monaten getilgt, werden die Taxen verkauft und die offenen 6000 Euro beglichen. Doch wegen Zahlungsrückständen kündigte die Bank das Darlehen, der private Deal platzte.

Sie hatte gedacht, der Revolver sei ungeladen

Radija F. wollte weiter die 500 Euro pro Monat abzahlen, doch Yasar L. habe die 6000 Euro sofort gewollt, habe ihr im Laden aufgelauert, sie mit Telefonaten terrorisiert und mehrfach gedroht, die Tochter verschwinden zu lassen. „Den Puff findest du nie“, habe er gesagt und geprahlt, bei der PKK zu sein, schon seinen schwerbehinderten Bruder ermordet zu haben, ohne das es jemand bemerkt habe. Als Radija F. zu einer solchen Szene die Polizei rief, habe die es abgelehnt, ihre Anzeige aufzunehmen – weil Yasar L. leugnete, und weil es keine Zeugen gab.

Zwei Jahre sei es bei ihr den Bach runtergegangen. „Meine Tochter ist das einzig Gute“, so Radija F.. Schließlich ließ sie sich zu den Überfällen drängen, tat genau, was Yasar L. ihr aufgetragen hatte. „Vergiss nicht den Tresor“, habe er gesagt. Sie nutzte seinen Revolver, von dem sie dachte, er sei ungeladen. In Berlin war er geladen. Yasar L. wird bald Besuch von der Polizei bekommen. Radija F.s minderjährige Tochter droht das Kinderheim, die Mutter ist seit sieben Monaten in U-Haft und wird selbst bei einem milden Urteil noch einige Zeit hinter Gittern bleiben.

*Namen geändert

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