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Potsdam-Mittelmark: Aus eigener Kraft

Wenig Geld für Jugendklubs, keine Idee für die Kammerspiele – das Wort der Bürgerstiftung fällt immer öfter

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Wenig Geld für Jugendklubs, keine Idee für die Kammerspiele – das Wort der Bürgerstiftung fällt immer öfter Von Peter Könnicke Potsdam-Mittelmark. Es war ein alter Hut. So einer, wie ihn Erich Kästner trug und in der traditionsreichen Gubener Hutfabrik genäht wurde. 200 Exemplare verhalfen dem heute ums Überleben kämpfenden Betrieb zu einem mittelgroßen Auftrag und der Bürgerstiftung Dresden zur erfolgreichen Feuertaufe. Für die Idee eines Kästner-Museums in der Heimatstadt des Schriftstellers sammelte die vor fünf Jahren gegründete Stiftung Geld: an den Kassen in Geschäften, Märkten und Einkaufszentren lagen 200 Kästner-Hüte – bereit, private Spenden aufzunehmen. 17 750 Euro kamen auf diese Weise zusammen. Das Ende der Idee: Die Dresdner Bürgerstiftung ist heute bundesweit anerkannt und mit Preisen geehrt. Und in drei Wochen wird in Dresden das Erich-Kästner-Museumsfestival gefeiert. Der Begriff der Bürgerstiftung ist auch zunehmend im Teltower Raum zu hören. Zu seinem Amtsantritt visionierte Stahnsdorfs Bürgermeister Gehard Enser von der „Bürgerkommune“, auf einer Zukunftskonferenz wurden Projektideen geboren, die vor allem durch bürgerliches Engagement verwirklicht werden sollten. Im Kleinmachnower Kommunalwahlkampf skizzierten die Grünen im vorigen Herbst das Modell eines Bürgerhaushalts, der der Einwohnerschaft Mitsprache und Überblick beim Einsatz der Kommunalfinanzen ermöglicht. Nicht zuletzt die immer wieder ausgesprochene Vorstellung, die Kammerspiele durch eine Bürgerstiftung betreiben zu lassen – von einer „private-public-partnership“ sprach jüngst Bürgermeister Wolfgang Blasig – verdeutlicht den gebotenen Händedruck zwischen Kommune und Bürgerschaft. In einer Zeit, in der sich der Staat auf Kernaufgaben zurückzieht – Sicherheit und soziale Grundstandards gewährleistet sowie Infrastruktur organisiert – ist zunehmend die „Zivilgesellschaft“ gefordert. Diese müsse jedoch Chancen und Möglichkeiten selbst erkennen, „eigene Ideen und Bereitschaft sind gefragt“, weiß Winfried Ripp, Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Dresdner Bürgerstiftung. Die Kommunalberater von „complan“, die in Teltow als Sanierungsträger in der Altstadt wirken und u.a. als Autoren für das Regio-Konzept und das Kleinmachnower Agenda-Leitbild verantwortlich sind, wollen die Idee der Bürgerstiftung in der Region Teltow salonfähig machen. In der Vorwoche überschrieb complan seinen alljährlichen Neujahrsempfang mit dem Titel: „Wir sind die Stadt? Potenziale bürgerschaftlichen Engagements!“ „Ist das Engerschnallen des Gürtels die einzige Zukunftsperspektive“, fragt complan-Chef Hathumar Drost, „oder gibt es Alternativen?“. Gerade in einer Kommune wie Kleinmachnow, wo Bürgerinitiativen wie WIR und PRO, Vereine wie die Lokalunion und die BIK bereits im Gemeindeparlament politisch Einfluss nehmen, wo sich Fördervereine im Bäketal engagieren und um den Wiederaufbau der Alten Hakeburg bemühen, sehen die complan-Berater ein immenses Potenzial bürgerschaflichen Engagements. Diese Bereitschaft verbunden mit der Stärke von lokalen Wirtschaftsunternehmen, der Spendenfreude der Einwohnerschaft und der helfenden Hand der Kommune bieten die Voraussetzungen für die Gründung einer Bürgerstiftung. Die Dresdner ist eine von 50 Bürgerstiftungen, die seit 1997 in Deutschland gegründet wurden. Sie setzt sich aus einem Stiftungsrat und -vorstand zusammen, die von einer Stiftungsversammlung gewählt werden. Welche Projekte – egal ob in den Bereichen Kultur, Jugend, Soziales, Umweltschutz – Unterstützung erfahren, wird in Fachausschüssen der Stiftung beraten. Neben der Projektförderung ist es Ziel der Stiftung, ihr Vermögen ständig anzureichern – durch private Spenden, Firmenschecks, Schenkungen aber auch durch Erbschaften. Auch in Kleinmachnow gibt es dafür durchaus Beispiele. So hat Hansulrich von Zimmermann als Nachfahre der Hake-Familie vor zwei Jahren der Gemeinde das Grundstück der Alten Hakeburg übertragen, deren Wiederaufbau angestrebt wird. „Bei allem Geld ist das freiwillige Engagement das wichtigste Kapital“, weiß der sächsische Stiftungsvorstand Ripp. Stahnsdorfs Bürgermeister Enser kennt das nur zu gut: Nach der ersten Euphorie gebe es in Stahnsdorf „erhebliche Schwierigkeiten“, in die Zukunftskonferenz neuen Treibstoff zu bekommen. „Die ursprüngliche Idee, für ein Ganzes zu wirken, reduziert sich auf ein eigenes, spezielles Wohl“, bedauert er. Hans Ries, der vor 25 Jahren im Problembezirk von Trier-Nord ein genossenschaftliches Stadtteilzentrum mitgegründet hat, kennt das Problem: „Es hängt immer an einzelnen Leuten“, weiß er. „Man braucht Bürger, die mit der Idee ein persönliches vitales Interesse verbinden.“ Doch nicht nur das. Umgekehrt bedürfe es Politiker, die „die Kraft und Notwendigkeit von Visionen nicht verkennen“, mahnt Ries. Auch Winfried Ripp beklagt – bei aller Notwendigkeit bürgerlichen Engagements – eine „nicht vorhandene Kultur des Dankesagens“ und eine „Unfähigkeit der Anerkennung“.

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