Potsdam-Mittelmark: Ausdrucksvolle Körpersprache
Schauspieler des Haeckel-Gymnasiums spotteten mit Dürrenmatt über den Zustand der Welt
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Schauspieler des Haeckel-Gymnasiums spotteten mit Dürrenmatt über den Zustand der Welt Von Elisabeth Richter Werder. Ein Stück aus 24 Kurz- und Kürzestszenen ist eine Herausforderung an Inszenierung und Schauspieler. Solch einem Anspruch hatte sich der Kurs Darstellen und Gestalten der 10. Klassen am Ernst-Haeckel-Gymnasium Werder vorgenommen: „Portrait eines Planeten“ von Friedrich Dürrenmatt, eins seiner weniger bekannten Stücke und obendrein – vergleicht man es mit den bei Schulaufführungen sehr beliebten Komödien "Besuch der alten Dame" und "Romulus der Große" – ein sprödes Stück, eine Art Zettelkasten mit ungemütlichen Visionen, durchsetzt von Dürrenmatts schwarzem Humor. Am Anfang und am Ende gibt es vier Götter, die von der hohen Warte – einem Stuhl - auf das Chaos ringsum blicken. Der Untergang eines Planeten bewegt sie nicht mehr als unsereins vielleicht ein fallendes Blatt. „Wandern wir weiter?“ fragen sie einander. Zwischen diesem Anfangs- und Schlussbild liegen gut zwanzig Kurzszenen, in denen Momente unseres Alltags auf die Spitze getrieben werden. Die 18 Schülerinnen und die beiden Schüler, alle in schwarzer Hose und schwarzem T-Shirt, stellen mit wenigen Requisiten in ständigem Wechsel höchst unterschiedliche Rollen dar, mal ist es ein Jackett für eine Männerrolle, ein gelber Gürtel, eine Handtasche für eine Frau, mal ein Schultertuch oder ein lose geknoteter Schlips. Ein Bühnenbild, abgesehen von den Stühlen gibt es nicht, und doch sind die Stühle eine ganze Welt: Sie zeigen Ordnung an, wenn sie alle in einer Reihe stehen und Chaos, wenn sie unter Geschrei über die Bühne geworfen werden. Die Turnhalle des Ernst-Haeckel-Gymnasiums ist hier ein angemessener Raum, das Publikum schaut von drei Seiten auf die „Bühne“, die nichts weiter ist als der leere Raum zwischen den Zuschauern. Es gibt keine Ablenkung von den 20 schwarz gekleideten Gestalten und ihren Stühlen. Umso intensiver ist die Wahrnehmung ihrer ausdrucksvollen Körpersprache. Kleine Patzer wie Verhaspeln oder kurze Aussetzer - geschenkt, das ist unwichtig im Verhältnis dazu, wie die jungen Darsteller ihre Rollen ausgestalten, wie beinahe lückenlos sich Szene an Szene reiht mit den kleinen und großen Kriegsschauplätzen zwischen Ehepaaren, Generationen, Parteien, Rassen und Staaten. Das Schöne an Dürrenmatt ist, dass er nicht über den Zustand der Welt lamentiert, sondern spottet. Diesen Spott greift die Inszenierung – Kursleiterin Silvia Marx – auf, wenn beispielsweise vier scheinbar schwache Alte im „Rollstuhl“ auf der Bühne mit wachsender Aggression und Kraft einander übertönen; alles gipfelt in dem Satz: „Meine einzige Leidenschaft ist, 100 zu werden!“ Oder die Szene, in der einige Darsteller auf Stühlen stehen und im Takt zu dem Lied „Danke für diesen guten Morgen“ pantomimisch die vor ihnen Stehenden mit Schlägen und Tritten traktieren. Eine Glanznummer ist die absurde Szene, in der der „Präsident der mächtigsten Nation der Welt“, die Gattin („Beruhige dich, Liebling!“) auf den Fersen, dem Generalsstabschef („Maul halten!“) und dem Wissenschaftler („Eierkopf“) befiehlt, den drohenden Weltuntergang zu verhindern. Der Wissenschaftler weiß, was sich im Zentrum der Macht gehört: „Mein Wort, die Sonne wird nicht explodieren!“ Da kann die Gattin beruhigt zum Lunch bitten, auch wenn in der nächsten Szene tatsächlich die Welt untergeht (und die Stühle fliegen). Silvia Marx hat mit den Schülern des Kurses ganz offenbar viel Körperarbeit gemacht. Man sieht es und es klingt auch in der kurzen Beschreibung des Kurses Darstellen und Gestalten an, die auf dem Programm zu lesen steht: „Es ist ein außergewöhnliches Fach, bei dem du vergisst, dass du eigentlich noch in der Schule bist.“ Es ist anschließend nicht nur von Spaß die Rede, sondern von Selbstvertrauen, gewachsener Körperbeherrschung und gegenseitigem Vertrauen. Es gab herzlichen Applaus.
Elisabeth Richter
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