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Potsdam-Mittelmark: Babymord: Staatsanwalt fordert sechs Jahre Haft

35-jährige Mutter, die ihr Neugeborenes in Glindow tötete, soll laut Gutachter unter einer Persönlichkeitsstörung leiden

Von Eva Schmid

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Potsdam/Werder (Havel) - Sie ist ängstlich, unsicher und geht Problemen aus dem Weg. Das sagte am Montag Psychiater Matthias Lammel über Kathleen B., die im vergangenen Oktober ihr Neugeborenes kurz nach der Geburt erstickte und auf einem Schnell-Kompostierer vor ihrem Haus in Glindow ablegte. Am Montag ging der Mordprozess gegen sie im Potsdamer Landgericht weiter.

Den Richtern legte der Psychiater sein Gutachten über die Angeklagte vor. Demnach leide die 35-jährige Kathleen B. an einer Persönlichkeitsstörung. Sie wolle nirgendwo anecken, würde Probleme vermeiden, aus Angst kritisiert zu werden. Zudem sei sie anspruchsarm und meide soziale Kontakte.

Für das Strafmaß kann die vorgelegte Diagnose entscheidend sein: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Totschlags gegen Kathleen B. erhoben. Bei der Strafe hat sie sich jedoch zurückgehalten, in der Regel sind zwischen fünf und 15 Jahre möglich. Staatsanwalt Gerd Heininger fordert sechs Jahre. Dabei habe er die besonderen Lebensumstände und die Persönlichkeitsstörung der Angeklagten berücksichtigt, so Heininger.

Wie berichtet lebte die Frau in einem Flachbau, einem ehemaligen Schuppen, auf engstem Raum mit ihrem Exfreund und dem gemeinsamen mittlerweile sechsjährigen Sohn. Der Bau steht auf dem Grundstück der Familie des Exfreundes in der Rosa-Luxemburg-Straße, dort leben auch die Großmutter und die Mutter des Partners. Kathleen B. hatte dort keinerlei Rückzugsmöglichkeiten. Das Leben mit der Großfamilie sei ihr mit der Zeit zu eng geworden, so der Psychiater.

Der Staatsanwalt geht davon aus, dass auch die Kammer sich bei ihrer Urteilsfindung, die an diesem Donnerstag erfolgen soll, an der vom Psychiater attestierten Störung orientiert. „Sie werden sich jetzt damit auseinandersetzen müssen, ob es ein minderschwerer Fall des Totschlags ist“, so Heininger. Das Strafmaß liegt hierfür bei einem bis zehn Jahren.

Die Verteidigung will, dass die Mutter des getöteten Säuglings auf freiem Fuß bleibt. „Sie bereut die Tat, ist geständig und nicht vorbestraft“, so Anwalt Karsten Beckmann. Ihre Persönlichkeit habe dazu geführt, dass sie die Schwangerschaft von sich wegschob. Sie bräuchte, das rät auch der Psychiater, dringend eine Psychotherapie. Das wäre laut Anwalt in der Haftanstalt nicht möglich. Auch deshalb fordert er eine Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Das Bild, das der Psychiater von Kathleen B. zeichnet, zeigt, dass ihr Verhalten im Alltag und die Abwehr der Schwangerschaft zu ihrer gestörten Persönlichkeit passen. Sie sei mit der Lösung komplexer Probleme überfordert und hangele sich durch ihr Leben. Immer wieder schwindele sie, um Konflikte oder unangenehme Nachfragen zu vermeiden: So verneinte sie nicht nur ihre Schwangerschaft, sie gab auch fälschlicherweise an, zu verhüten. In Wahrheit habe sie die Verhütung nach der Geburt des ersten gemeinsamen Sohnes schleifen lassen. „Das verdeutlicht ihre passive, unreflektierte Haltung“, so Psychiater Lammel.

Auch der Schwindel mit dem Bausparvertrag passe in das Schema. Wie berichtet hatte sie angegeben, 10 000 Euro aus einem Bausparvertrag zu haben, mit dem der Ausbau des Flachbaus hätte gestemmt werden können. „Ihre absurde Vorstellung, so etwas zu besitzen, zeigt, dass sie von den anderen wahrgenommen werden wollte.“ Sie wollte damit ihren Beitrag zur gemeinsamen Zukunft leisten. Bis zur Tat und auch danach sei das Verhalten der Angeklagten durch ihr Persönlichkeitsproblem erklärbar, so der Psychiater. Das Töten des Kindes jedoch passe nicht in das Schema: „Da hat sie aktiv gehandelt und dem Kind Papier in den Mund gestopft“, sagt Lammel. Die Angeklagte sei in dem Moment handlungsfähig gewesen und somit auch voll schuldfähig.

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