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KulTOUR: Beethovens Tango

Trio Neuklang in der Fercher Fischerkirche

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Schwielowsee - Lost in Tango – verloren, versunken, eingetaucht. Bei minus sechs Grad wuchs am Dienstagabend nur noch die Sehnsucht nach Sonne und Wärme, Wehmut ergriff das Herz. Und man vermeinte in der Fercher Fischerkirche, das Stimmengewirr eines Cafés zu hören oder im verrauchten Lokal tanzende Paare zu sehen, als das Trio Neuklang zum Jahresschlusskonzert 2008 des Kulturforums Schwielowsee anhub, seine Zuhörer zu verzaubern.

Musikalischer Schirmherr dieses kurzweiligen Abends war eindeutig Astor Piazzolla mit seiner hohen Kunst der Tango-Komposition. Dieser hat es den drei Musikern – Nikolaj Abramson auf der Klarinette, Arthur Horning am Violoncello und Jan Jachmann auf dem Akkordeon – besonders angetan, nachdem sie sich bereits vor zehn Jahren erstmals zur Uraufführungen einer Komposition von Georg Katzer zusammentaten und in Vorbereitung eines Gastspiels in Japan nach „Hörbarerem“ suchten. Sie stießen auf den Tango.

Nun ist das in der seltenen Kombination ihrer Instrumente ein Reizvolles: Jedes ist in seiner Eigenständigkeit sehr charakteristisch, doch gibt es traumhafte klangliche Kombinationen und Verschmelzungen, die dem Ohr gar orchestrale Klänge vorzugaukeln vermögen. Wenn dann die drei auch noch quasi im Freiflug mit Beethoven, Schubert, Mozart und Brahms den Tango klassisch-romantisch neu entdecken, dann ist der Vergnüglichkeit kaum eine Grenze gesetzt. Dass es dabei um eine intelligente Art geht, mit der Musik der Altvorderen umzugehen, versteht sich von selbst.

Da spitzte so mancher Musikliebhaber die Ohren, um Schuberts „Leise flehen meine Lieder“ oder Brahms „Ungarischen Tanz“ zu erkennen (zumal nicht alle Bearbeitungsquellen von der Moderation verraten wurden). Man fragte sich, ob nicht Beethovens „Elise“ eine heißblütige junge Argentinierin war und sein Mond über Buenos Aires aufging, für den er seine berühmte Sonate schrieb. Freilich geriet Mozarts „alla turca“ in der Bearbeitung ein wenig schaumgebremst und ist die „Nachtmusik“ nicht für jene blauen Stunden, die lateinamerikanisch die Herzen verführen, doch das ist am Ende vielleicht Geschmackssache. Schostakowitschs genialer Walzer aus der zweiten Jazz-Suite dagegen bietet in seiner wehmütig-hintergründigen Musik sozusagen von Haus aus einen perfekten Tango-Spiegel.

Über allem aber schwebte Piazzolla. Seine „Fugata“ ward zur Klangorgie, sein „Milonga del Angel“ führte zu sehnsuchtsvoll-innerer Stille für einen Engel, und in der Adaption von „Le Grand Tango“ stellte sich Wehmut ein, diese wunderbar auszukostende, genussvolle Wehmut, dieses angenehme Traurigsein, das regelrecht Vergnügen schafft. Da schmolz die Klarinette dahin, schwang sich in wunderbare Höhen, da sang das Cello und übernahm in kraftvollen Pizzicato-Akkorden selbst Schlagzeug- und Bassaufgaben, da stellte jederzeit das Akkordeon ein Klangfundament, rhythmisch hochakzentuiert, um dann sofort wieder voller Schmelz und klagender Süße melodietragend hervorzutreten.

Das Trio kostete mit sichtbarer Freue, pointiert und verspielt alle Nuancen aus, bewies hochentwickelten Sinn für musikalischen Humor und war vollkommen aufeinander eingestimmt. Dass dann schließlich in der eifrig erklatschten Zugabe Beethovens „Ode an die Freude“ mit Armstrongs „What a wonderful world ganz herrlich zur „Ode an die schöne Welt metamorphosierte, passte für all die vielen guten Wünsche zum Neuen Jahr.

Christina Siegfried

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