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Potsdam-Mittelmark: Begraben unter einer Eiche

Keine Blumen, keine Kerzen, kein Grabstein: Immer mehr Menschen entscheiden sich für Naturbestattungen in Nuthetal

Von Eva Schmid

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Nuthetal – Still liegt das Wäldchen zwischen zwei Landstraßen. Durch das dichte Blätterdach der Nuthetaler Parforceheide fallen Sonnenstrahlen. Die Vögel zwitschern, Radfahrer und Reiter kommen vorbei. In grünem Outfit steht Förster Knut Krause vor einer Holztafel am Eingang des Waldes. Er lädt ein zur Wanderung durch den Wald – doch geht es nicht um Flora und Fauna, sondern um das eigene Begräbnis.

Seit zwei Jahren gibt es in dem Nuthetaler Waldstück einen so genannten Friedwald. Mitten in der Natur lassen sich Menschen ganz schmucklos unter einem Baum, den sie sich vorher ausgesucht haben, begraben. Das Interesse an Naturbestattungen steigt. „Schon zu Lebzeiten haben sich 600 Menschen für den Nuthetaler Friedwald als letzte Ruhestätte entschieden“, sagt Corinna Brod, die Pressesprecherin der Friedwald GmbH. Beigesetzt wurden dort bisher 160 Menschen. Der 23 Hektar große Friedwald ist für 99 Jahre von der Gemeinde gepachtet. Zu den Führungen in der Nuthetaler Parforceheide würden meist rund 20 Interessenten kommen, sagt Pressesprecherin Brod. Ab und an müssten auch zwei Förster die Tour durch den Wald machen, weil die Gruppe sonst zu groß würde.

Der Rundgang startet, die Gruppe läuft langsam los. Vorneweg der Förster, auf dem weichen Waldweg wird leise geredet. Die Köpfe sind gesenkt. Erst als Krause an einem Baum mit einer grünen Infotafel stehen bleibt, gehen die Blicke nach oben. „Das hier ist eine Roteiche, die sind für den Indian Summer im Herbst mit tiefroten Blättern zuständig“, sagt er. Krause erklärt, dass nur die Bäume, um die bunte Bänder gebunden sind, zum Verkauf stehen. Unterschiedliche Farben markieren die Preisklasse: „Je dicker der Stamm und größer der Baum, umso teurer ist er.” Zudem könne man sich aussuchen, ob man einen Familien- oder Gemeinschaftsbaum wünsche. Bei ersterem würden bis zu zehn Urnen um den Baum herum Platz finden – dort können wie auf einem Familiengrab mehrere Generationen beerdigt werden. Bei Gemeinschaftsbäumen kaufe man sich lediglich einen Platz unter einem Baum.

Das Geschäft für die Friedwald GmbH läuft gut: In Deutschland betreibt die Firma an insgesamt 51 Standorten derartige Anlagen. Das sind nach Firmenangaben 2193 Hektar Wald, die zu Bestattungszwecken umgewidmet wurden. Auf ihnen wurden rund 47 000 Menschen beigesetzt. Das Unternehmen, das sich das Wort „Friedwald“ markenrechtlich hat schützen lassen, hat den ersten Wald dieser Art vor 13 Jahren bei Kassel eröffnet. Auch in Brandenburg hat die Firma neben dem Wald in Nuthetal ein zweites Gelände bei Fürstenwalde gepachtet, auch in Berlin gibt es zwei Friedwälder.

Angelehnt an einen Baum erklärt der Förster das Preissystem: Eine stattliche Eiche als Familienbaum liegt bei rund 6400 Euro. „Eine junge Buche kostet etwa 3400 Euro“, so Krause. Je nach Baumart variieren auch die Preise für die Einzelplätze. Sie liegen zwischen 770 und 1200 Euro. Damit der Baum von Angehörigen auch gefunden werde, gebe es kleine Schilder. „Man kann selbst entscheiden, was darauf stehen soll“, sagt der Förster. Um den Waldcharakter zu erhalten, würden die Schilder an einer abgewandten Stelle des Baumes angebracht werden. Während der Förster über die alternative Bestattungsform spricht, fasst er immer wieder an die Rinde der Bäume - man merkt: Er fühlt sich im Wald wohl. Er ist Förster, kein Bestattungsunternehmer.

Der Wald als letzte Ruhestätte macht immer mehr traditionellen Friedhöfen Konkurrenz. Immer weniger Menschen lassen sich in konventionellen Gräbern beisetzen. „Es gibt einen enormen Wandel in der Friedhofskultur“, sagt der Stahnsdorfer Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt. Mittlerweile hat auch er auf die hohe Nachfrage nach Naturbestattungen reagiert. Seit 2005 gibt es ein Waldstück auf dem weitläufigen Friedhofsgelände, das Bestattungen unter Bäumen ermöglicht. Doch nach dem Begräbnis erlebt Ihlefeld immer wieder die gleiche Situation: „Obwohl die Verstorbenen gesagt haben, dass sie ihren Angehörigen keine Arbeit machen wollen, kommen die danach zum Grab.“ Sie würden es schmücken wollen mit Blumen oder Dekoration. „Das ist bei Naturbestattungen nicht möglich und darauf haben wir im Vorfeld auch hingewiesen.“ Von den Trauernden ernte er empörte Blicke.

Auch in Nuthetal macht sich die Gruppe der Interessierten Gedanken über das eigene Begräbnis. Mit jedem weiteren Schritt in den dichten Wald hinein wird die Stimmung gelöster, die Atmosphäre ist entspannt. Ihlefeld nennt es die Leichtigkeit der Natur, die Naturbestattungen für viele so interessant mache. „Ein Waldspaziergang ist doch viel schöner als ein Friedhofsbesuch“, sagt die 76 Jahre alte Evelyn Stengel aus Berlin, die sich auf der Führung schon für einen Baum entschieden hat. Selbst die Jüngsten in der Gruppe finden es nicht beklemmend über den eigenen Tod oder den der Eltern nachzudenken: „Es kann schnell passieren, da muss man vorbereitet sein“, sagt ein junges Mädchen aus Berlin, das seine Mutter bei der Führung begleitet. Auch die 77 Jahre alte Gerti Plath aus Kleinmachnow überlegt, sich unter einem Baum begraben zu lassen. „Ich habe keine Angehörigen.“ Für eine 64-jährige Berlinerin sind Friedhöfe hingegen wie Reihenhäuser: „Jeder schaut, ob die Fenster beim Nachbarn geputzt und die Blumen frisch sind“, sagt Merve Fröhlich. Das wolle sie ihren Kindern ersparen. Die Pilzsammlerin weiß auch schon, dass sie später unter einer Lärche begraben werden will, „denn dort wachsen wunderschöne Goldröhrlinge“.

www.friedwald.de

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