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Frauentrio. Jenny Conrads, Franziska Lather und Julia Höhn (v.l.).

© Volksbühne

KulTOUR: Behaglichkeit auf der Hinterbühne

Die Volksbühne Michendorf markiert mit der Inszenierung von Kishons „Es war die Lerche“ eine Wende

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Michendorf - In der „Volksbühne Michendorf“ kündigt sich ein Umschwung an. Theaterleiter Siegfried Patzer plant seinen Rückzug, Nachfolge-Interessenten stehen bei Fuß. Zugleich werden über ein Internetportal Spenden „für Bühnenbild und Regiekosten für ,Es war die Lerche’“ erbeten. Lerche – Nachtigall, war das nicht Shakespeares klassische Liebesgeschichte von Romeo und Julia 1593 in Verona, die so tragisch-irrend mit dem gemeinsamen Tod des blutjungen Paares endete? Genau, und sie scheint in der Inszenierung von Philippe Roth auch künstlerisch eine Wende in der bisherigen „Volksbühne“ zu markieren.

Der Theater-Prinzipal ließ dem jungen Team um Roth natürlich in allem freie Hand. So kommt mit Ephraim Kishons Romeo-und Julia-Version „Es war die Lerche“ eine andere Art von Theater übers städtisch-ländliche Publikum: Erstmals wird auf einer schwarz abgehangenen Off-Bühne gespielt, das Sechspersonenstück selbst ist mit drei Schauspielerinnen unterschiedlicher Begabung besetzt. Ein frei hängendes Bettgestell als einziges Versatzstück. Von der Hinterbühne aber schimmert noch die Wohnzimmer-Behaglichkeit des guten alten Patzer-Theaters durch dünnen Stoff.

Worum es geht? Kishon, der große Humorist und Satiriker, machte sich 1974 den Spaß, Romeo und Julia nicht sterben zu lassen, obwohl Shakespeare es ausdrücklich so wollte. Nun sitzen und lümmeln die beiden Uralten auf dem Bettgestell und giften sich an. Lebensmüde sind sie trotz ihres hohen Alters nicht, nur partnermüde. Dazu der ständige Ärger mit Lucretia, dem pubertierenden Töchterlein, die es mit ihrem Elternhaus genauso hält wie das Liebespaar einst in Verona.

Aufmüpfig ist die 14-Jährige, sie hasst alle und alles, ihr Lieblingsspruch: „Lang lebe nichts!“ Als das Chaos am größten ist, schaltet sich Shakespeare persönlich ein. Kraft seiner Autorenschaft will er den Urzustand der Tragödie restaurieren, denn Kishon hatte ja alles durcheinandergebracht und seine Version auch noch „heiteres Trauerspiel“ genannt!

Wer das geschickt in Szene setzt, hätte alles im Sack, Kishon, Shakespeare, und sich. Nun mag Philippe Roth als Regie-Assistent an verschiedenen Theatern Erfahrungen gesammelt haben, mit Kishons Figuren hat er es nicht so. Mehrfachbesetzungen zum Beispiel setzen auch mehr Leistung voraus. Dorothee Höhn hat neben Julia auch noch eine Amme und die widerborstige Lucretia zu spielen, Letztere im Allerleirauh-Look nur blass und formal. Trotzdem war sie die beste Darstellerin im Team.

Romeo (Jenny Christina Conrads, auch Beichtvater Lorenzo) glaubte man kein Wort, soweit man überhaupt verstand, was sie artikulierte. Auch szenisch war ihr Spiel mehr als nichts. Ist die Sprache nicht das erste Werkzeug aller Schauspielerei?

Diese ließ in der flockigen Inszenierung überall zu wünschen übrig. Shakespeare (Franziska Lather) war ein gestisch plappernder Schönling ohne dramaturgisches Gefühl. Warum eigentlich Frauen, wenn sie auch im historisch anmutenden Kostüm als Männer unglaubwürdig bleiben, Quote? Das muss ein Regisseur doch sehen!

Spielstationen statt Lebens-Vorgänge, kaum Untertext, von Figurenaufbau und -führung keine Spur. Alles eine Frage des Handwerks! Doch gemach, nichts lebt ja lang – außer der himmelsmächtigen Liebe. Ein Verriss also? Nein doch, die Leute mögen es heutzutage halt nicht so schwer. Und nett war es, dank Kishons witziger Feder, ja auch hier und da. Gerold Paul

An den folgenden vier Wochenenden freitags und samstags um 19.30 Uhr sowie sonntags um 17 Uhr, Potsdamer Straße 42

Gerold Paul

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