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Potsdam-Mittelmark: Behutsam bis zur 10. Klasse

Sonderschule auf dem Geltower Franzensberg hat jetzt auch eine Sekundarstufe

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Sonderschule auf dem Geltower Franzensberg hat jetzt auch eine Sekundarstufe Von Klaus-P. Anders Schwielowsee · Geltow - Die Jungs der Klasse, die gerade Deutsch hatte und nun nach kurzer Pause zum Mathematikunterricht wechselt, wirken lebhaft und selbstsicher. Die Lehrerin muss energisch werden, damit alle endlich sitzen, das Heft und Lineal nebst Bleistift auf dem Tisch haben. Aber es sind nur sechs Kinder einer jahrgangsübergreifenden Lerngruppe der Stufe drei und vier. Die Lehrerin kann sie am Ende motivieren, in größeren Klassenverbänden hätte das wohl nicht so schnell geklappt. Dr. Brigitte Wilhelm, Schulleiterin der Sonderschule auf dem Geltower Franzensberg erklärt, dass ihre Einrichtung Kinder mit sozialen und emotionalen Problemen so lange betreut, bis sie wieder integrationsfähig für Normalklassen sind. Auffällige Schüler aus Berlin, Potsdam und Potsdam-Mittelmark werden über das Jugendamt in die Förderschule für Erziehungshilfe, so der offizielle Name, vermittelt. Sie konnten in „normalen“ Schulen nicht unterrichtet werden. Die „Föse“, wie die Schule in doppelter Bedeutung kurz genannt wird – in Abkürzung des etwas umständlichen Namens und in Anlehnung an den nahen Havelarm Föhse–, ist mit dem neuen Schuljahr von der reinen Grundschule zur Gesamtschule aufgestockt worden. Die Kinder müssen nicht mehr mit der 6. Klasse zwangsweise die Schule abschließen, sondern können nun auch bis zur 10. Klasse unter Obhut ihrer Lehrer und Erzieher betreut und gefördert werden. Allerdings fehlt durch die Erweiterung noch ein Sonderschullehrer mit Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I und „mit Begeisterung für diese individuelle Schulform, der nicht schon bei der Begrüßung nach den Sondervergünstigungen fragt“, sagt Wilhelm – womit die Direktorin auch das Engagement ihrer Kollegen – vier Pädagogen und die Sozialarbeiterin – lobend erwähnt. Zur Zeit werden 34 Kinder in den ausgebauten Räumen einer ehemaligen Villa betreut, die in Abstimmung mit dem Psychologen auch ein soziales Training erhalten und mit Reiten, Musik, Segeln und anderen Therapien ihre Persönlichkeit entwickeln sollen. Die meisten sind Heimkinder, viele aus dem Kinderheim Geltow selbst. Ihre Verhaltensstörungen werden mit viel Liebe, individueller Betreuung und persönlicher Zuwendung wieder ausgebügelt. In der ersten Stunde werden sie nicht gefragt, „Was kannst du?“, sondern „Wer bist du?“, womit die Beschulung eine andere Qualität bekommen soll. In überschaubaren Gruppen von sechs bis acht Schülern wird unterrichtet. Seit 1996 ist die Einrichtung des Diakonieverbundes Schweicheln als freie Schule anerkannt und hat mit der in der vorigen Woche offiziell überreichten Erweiterung zur Sekundarstufe I eine schöne Bestätigung ihrer erfolgreichen Arbeit erhalten. Gegründet wurde die Schule einst aus dem eigenen Bedarf heraus: „Wir konnten einige Kinder aus unserem Heim nirgendwo mehr unterbringen“, so Wilhelm. Inzwischen gibt es auch eine ganze Anzahl Kinder von außerhalb – das soll ausgebaut werden. Im Grundschulbereich gibt es derzeit 25 Kinder, 30 sollen es einmal werden. Im Sek-1-Bereich ist die Kapazität mit neun Kindern nur zur Hälfte ausgelastet. Wenn das Angebot bekannter wird, ist die Auslastung schnell erreicht, meint Wilhelm. Die Möglichkeit zu wechseln bestehe in allen Schuljahren und jederzeit. Da es sich bei den Schülern nicht um debile oder lernbehinderte Kinder handelt, sind Erfolge der behutsamen Erziehungsarbeit besonders markant: Etwa die Hälfte der Eleven können nach zwei Jahren an „normale“ Schulen wechseln. Einmal konnte ein verhaltensgestörter Schüler sogar als hochintelligentes Kind „enttarnt“ werden und mit Überspringen von zwei Jahrgangsstufen vorzeitig das Abitur an einem Gymnasium abschließen. In der nächsten Unterrichtspause herrscht auf dem Schulhof wieder Trubel: Kinder hocken zusammen, andere spielen Volley- oder Fußball. Etwas verwunderlich, dass im Buddelkasten auch größere Jungs sich um Schippe und Eimer kappeln. „Sie müssen ihre Kindheit nachholen“, klärt die Direktorin auf.

Klaus-P. Anders

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