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Potsdam-Mittelmark: „Bei uns wird derartiges Fleisch nicht verarbeitet“

Der Obermeister der Fleischerinnung Potsdam, Horst Bothe, über die Wirkung des Fleischskandals auf handwerkliche Fleischbetriebe

In diesem Jahr haben sich die schlechten Nachrichten zum Thema Fleisch gehäuft: Verdorbene Ware wird weiterverarbeitet, überlagerte umetikettiert. Es fing im Frühjahr an mit Real und endete im Herbst mit Kühlhäusern und Zulieferern im ganzen Bundesgebiet. Wie schauen Sie als Obermeister der Potsdamer Fleischerinnung auf das Geschehen?

Die handwerklichen Innungsbetriebe sind von dem Fleischskandal nicht betroffen. Bei uns wird derartiges Fleisch nicht verarbeitet. In den Fleischskandal-Fällen geht es um Tonnenware, die angeboten, verarbeitet und verschoben wird. Überlagertes Fleisch wird auf dem Markt billig angeboten, einzelne Großbetriebe sehen offenbar eine Chance, mit krimineller Energie Profit daraus zu schlagen.

Jeder Fleischerladen betreibt sein Unternehmen ja auch mit Gewinnabsicht. Und man könnte sich auch bei den Handwerksbetrieben vorstellen, dass nicht die ganze Ware sofort verkauft werden kann. Würden Sie für Ihre Kollegen die Hand ins Feuer legen?

Bei unseren Fleischern wird grundsätzlich Frischfleisch verarbeitet. Der Betrieb kauft nach seinen Erfahrungswerten nur soviel ein, wie er in der Woche verkaufen kann. Dementsprechend wird meistens dreimal die Woche geliefert und im Wochenrhythmus verarbeitet. Die Betriebe haben gar keine Lagerkapazitäten, um etwas aufzuheben. Das würde sich auch nicht lohnen für ein paar Cent. Die Ware in unseren Fleischereien hat ihren Preis, der muss wegen der Qualität höher sein. Die industriellen Fleischproduzenten beliefern Ketten, dort geht man mit dem Preis offensiv in die Werbung.

Sie betreiben zwei Fleischereien in Geltow und im Werder-Park. Wie oft haben Sie die Lebensmittelkontrolleure hier?

Ohne Anmeldung alle zwei bis drei Monate. Auch die Industriebetriebe werden so kontrolliert. Aber es ist trotzdem schwer, Problemen wie Umetikettierung oder Weiterverarbeitung verdorbener Ware in Gefrierhäusern beizukommen.

In den Fleischereien sind nicht mal Etikette an der Ware. Woher nimmt der Kunde das Vertrauen für frische Ware?

Er schaut in die Theke und hat das Fleisch ohne Folie und Schummerlicht vor sich. Jeder Kunde hat den Sachverstand, um an Farbe und Geruch zu erkennen, dass das Fleisch in Ordnung ist.

Es gibt Diskussionen, ob der Verbraucherschutz ausreicht. Um Schadenersatz für ein nitrofenverseuchtes Schnitzel zu bekommen, muss man derzeit selbst nachweisen, dass man nach 30 Jahren Krebs davon bekommen hat.

Der Verbraucherschutz ist gesetzlich gut verankert. Die Betriebe sollten durch Eigenkontrollen und Dokumentationen nachweisen können, dass die Produktionskette sauber ist. Natürlich muss man vom Verbraucher aber einen Nachweis verlangen, wenn er geschädigt wird. Der Durchfall muss nicht immer am Hackepeter liegen. Wenn ich auf einen grünen Apfel etwas trinke, habe ich auch ein Problem im Bauch. Es ist schon richtig, dass der Verbraucher nachweisen muss, wovon er krank geworden ist.

Die Grünen fordern, dass man bei der Veröffentlichung von Händlern, die altes Fleisch verkaufen, weiter gehen muss. Während Verbraucherschutzminister Seehofer künftig die Namen der Lieferanten veröffentlichen will, fordern die Grünen, auch die Namen der Unternehmer zu nennen, die verdorbene Ware angenommen und weiterverarbeitet oder an Kunden verkauft haben. Ist das fair?

Wenn den Betrieben und deren Management nachgewiesen wird, dass sie wissentlich Kunden hinters Licht führen, muss man das öffentlich machen. Eine Vorverurteilung darf es aber nicht geben, die Betriebe müssen einen gewissen Schutz genießen. Schnell ist ja auch zu Unrecht der Stab über einem Unternehmen gebrochen und es gehen Arbeitsplätze und Steuerkraft verloren.

Das eine Problem ist die Fleischverarbeitung, das andere die Massentierhaltung, die – ob durch illegale Fütterungen oder Seuchen – immer wieder zu Problemen beim Verbraucherschutz führt. Muss man sich davon verabschieden?

Das entscheidet der Verbraucher mit seinem Kaufverhalten. Alle reden vom Tierschutz, aber beim Kauf wird dann eben doch auf den Preis mehr geachtet als auf die Herkunft der Ware. Die großen Ställe mit 20 000er Einrichtung sind vom Tierschutzgedanken aus natürlich nicht so günstig, aber das Fleisch ist preiswerter zu erzeugen. Und im Laden sieht der Kunde nur noch das Kotelett.

Wo kommen Ihre Schweine her?

Wir verarbeiten Tiere, die dreimal die Woche vom Schlachthof Perleberg kommen. Wir sind ein pro-agro-geprüfter Betrieb, es werden Proben gezogen und es gibt Labortests. Viele Fleischereien und Agrarbetriebe gehen den gleichen Weg der Selbstkontrolle. Pro agro schaut auch in Perleberg, ob die Tierhaltung dort in Ordnung ist. In dieser Gegend produzieren kleinere Betriebstätten mit 2000 oder 3000 Tieren in den Ställen mit anderen Züchtungen als in der Massenhaltung. Dieses Fleisch hat eine kräftige Konsistenz und eignet sich für den handwerklichen Betrieb besser zur Verarbeitung als die wässrigere Ware. Das ist ein Mittelweg zwischen Bio und Massenware, der von den Kunden angenommen wird.

Das Interview führte Henry Klix

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