Potsdam-Mittelmark: Belzig fahndet nach Hüft-Patienten
Kreiskrankenhaus stand auf der Kundenliste von Falcon Medical, das fehlerhafte Prothesen lieferte
Stand:
Potsdam-Mittelmark - Das Kreiskrankenhaus Belzig stand auf der Kundenliste des österreichischen Medizintechnikherstellers Falcon Medical, der derzeit wegen fehlerhafter Hüftgelenke in der Kritik steht. „In Belzig sind derartige Operationen durchgeführt worden“, sagt Rechtsanwalt Burghardt Lau, der in Berlin betroffene Patienten vertritt. Nach dem Skandal um fehlerhafte Prothesen im Berliner St.-Hedwig-Krankenhaus ist es die zweite Klinik, von der bekannt ist, dass sie mit fehlerhafter Medizintechnik von Falcon Medical ausgestattet wurde. Bekannt ist auch, dass ein in Berliner tätiger Mediziner auch in Belzig Hüftoperationen durchführte.
Der Geschäftsführer des Belziger Kreiskrankenhauses, Thorsten Gretz, bestätigte die Geschäftsbeziehungen mit der Falcon Medical GmbH, die das Ende 2004 vom Markt genommene Titan-Hüftgelenkssystem Varicon auch in den Fläming lieferte. Ob es tatsächlich mehrere hundert Prothesen waren, konnte Gretz nicht bestätigen. Jährlich werden in dem Belziger Krankenhaus, das vor allem die medizinische Grundversorgung deckt, etwa 50 Hüftgelenksoperationen durchgeführt. Ob dabei bis zu der Rückrufaktion das Varicon-Implantat bei Operationen tatsächlich verwendet worden ist, konnte Gretz gestern den PNN noch nicht sagen. Die Belziger Ärzte hätten gestern parallel zum laufenden OP-Betrieb in den Behandlungsbüchern der vergangenen Jahre nach möglicherweise betroffenen Patienten recherchiert. Sollte jemand die Varicon-Hüfte bekommen haben, „werden wir die Patienten anschreiben, radiologische Untersuchungen und Konsultationen beim Fachorthopäden empfehlen“, so Gretz.
Falcon Medical-Geschäftsführer Josef Riedler bestätigte in einer Stellungnahme auf der Internetseite seines Unternehmens, dass seit Juni 2004 bei 43 von 2369 Implantaten Komplikationen aufgetreten sind. Durch den Kontakt mit Körperflüssigkeit kann das Material brüchig werden. Das Unternehmen hatte unmittelbar nach dem Auftreten der ersten Probleme Ärzteschaft und Behörden in Deutschland informiert. Bruno Heinz vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfAM) bestätigte gestern gegenüber den PNN, dass der Hersteller auch seine Einrichtung über die Rückholaktion informiert hat und das BfAM auf seiner Internetseite den Vorgang kommunizierte. Wann das Belziger Krankenhaus über die Rückholaktion informiert und wie darauf reagiert worden ist, war gestern nicht zu erfahren. Rechtsanwalt Burghardt Lau spricht inzwischen von 50 Schadensfällen im Raum Berlin, die jedoch noch nicht genau zugeordnet seien. Die Recherche gestalte sich schwierig, da die Behandlungsdaten von Patienten meist anonymisiert seien. Er könne Betroffenen nur empfehlen, „sich aufmüpfig“ zu melden.
Das brandenburgische Gesundheitsministerium hat gestern auf den Prothesenskandal reagiert und landesweit alle Fachkliniken und orthopädischen Abteilungen in Krankenhäusern angeschrieben. „Sie sollen prüfen, ob sie von dem Fall betroffen sind und sich melden“, so Minsiteriumssprecherin Claudia Szces. Eine der größten orthopädischen Kliniken in Deutschland , die Klinik für Endoprothetik der Sana Kliniken Sommerfeld, sowie die Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Sana Klinikums Lichtenberg sind von den aktuellen Problemen in der Versorgung mit Prothesen nicht betroffen. „Bei Hüftoperationen werden in keinem der beiden Sana Kliniken Produkte der österreichischen Firma Falcon Medical verwendet“, sagt Sana-Sprecherin Martina Franzen. Bei Knieprothesen verwendet die Klinik das gleiche Material wie es von den Kollegen des St.-Hedwig-Krankenhauses falsch eingesetzt wurde. „Das Prothesenmaterial der Firma Smith & Nephew ist ein sehr gutes Implantatmaterial, und wir haben keinerlei negative Erfahrungen weder mit Verpackungen noch missverständlicher Beschriftung ausmachen können“, so Chefarzt Christian Müller.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: