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Aus dem GERICHTSSAAL: Berechtigter Faustschlag

Zoff beim Baumblütenfest in Werder / Gerichtsurteil: Es war Notwehr

Stand:

Werder – Das Gericht lud eine lange Reihe von Zeugen. Am Ende des zweitägigen Prozesses stand fest: Es war Notwehr. Der Werderaner Rocco R.* (22) war im Recht, als er den Angriff eines Betrunkenen mit einem Faustschlag parierte. Schließlich soll der Mann noch in Angriffspose vor dem Lehrling gestanden haben, bereit, erneut zuzuschlagen.

Rückblende: Es ist der 29. April 2005, Baumblütenfest. Rocco R. ist gegen 23 Uhr mit seiner Freundin, der Mutter und einer Nachbarin im Auto auf dem Heimweg, als ihn per Handy ein Anruf seines jüngeren Bruders Ronny erreicht. Der 17-jährige klingt verängstigt, berichtet, er und zwei seiner Freunde würden von einer Gruppe älterer Alkoholisierter bedroht und geschlagen. Rocco – mehrfach wegen Gewaltdelikten vorbestraft – will sich nicht einmischen. Er rät dem Jüngeren, seine Probleme selbst zu klären. Doch der meldet sich noch zweimal. Da beschließt die Mutter: Wir fahren zurück. Am Ort des Geschehens sieht Rocco R., wie ein Erwachsener seinen zierlichen kleinen Bruder am Wickel hat. Er fragt, was das soll, erhält postwendend einen Fausthieb ins Gesicht. „Daraufhin habe ich ihm auch eine verpasst“, gestand der wegen Körperverletzung Angeklagte. Der Mann fällt zu Boden, erleidet eine Platzwunde am Auge und eine Rippenprellung. Seine Brille und die Armbanduhr gehen kaputt. Dessen 28-jähriger Sohn vesucht indessen, Rocco eine mit Nägeln gespickte Zaunlatte über den Kopf zu schlagen. Da kommt endlich die Polizei.

„Drei Jugendliche liefen vor uns her. Einer trat immerzu gegen einen Kiosk. Dann rempelte er meinen Sohn an“, erzählte Werner W.* (50). Als sich der vermeintliche Provokateur nicht entschuldigen wollte, habe es einen verbalen Schlagabtausch gegeben. „Ich habe aber keinen der Jungs angefasst“, beteuerte das spätere Opfer. Als längst Ruhe eingekehrt sei, habe ein Auto neben ihnen gehalten, zwei Personen seien herausgestürzt. Einer habe auf ihn eingeschlagen. Ob es der Angeklagte war, vermochte der damals mit 1,85 Promille stark Alkoholisierte allerdings nicht mehr zu sagen. „Jemand sprang wutentbrannt aus einem Auto und rannte auf meinen Bekannten zu“, berichtete Mike K.* (39), schaute dann zur Anklagebank. „Er war es“, erklärte er.

Ronny R., der Bruder des Angeklagten, erinnerte sich: „Ich war mit meinem Freund Paul auf der Baumblüte. Auf dem Heimweg haben wir noch unseren Kumpel Claudius getroffen.“ An der Bismarckhöhe seien sie mit „drei älteren Herren“ aneinander geraten. „Die waren völlig besoffen. Sie beschimpften und beleidigten uns. Dann hielten sie uns fest und schlugen sogar zu.“ Rocco, der ihm zu Hilfe eilte, sei sofort von Werner W. angegriffen worden. „Daraufhin hat Rocco dann auch zugehauen“, so der Schüler. „Diese Leute haben Streit gesucht. Wir haben richtig Panik bekommen“, bestätigte Claudius C.* (18). Sein Kumpel Paul P.* (19) rief die Polizei. Die hielt die Beschreibung der Situation wohl für einen Witz, lehnte es zuerst ab zu kommen.

„Obwohl wir ihrer Darstellung glauben und sie heute freisprechen, möchte ich sie hier nicht wiedersehen“, wandte sich Amtsrichterin Kerstin Devriel an den Angeklagten. „Nach der Baumblüte ist bekanntlich vor der Baumblüte.“ (*Namen geändert.) Hoga

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