Potsdam-Mittelmark: „Bewahrt die Achtung voreinander“
Theologischer Appellativ zum Streit zur B2-Ortsumgehung
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Theologischer Appellativ zum Streit zur B2-Ortsumgehung Von Gerold Paul Amt Michendorf. Sinnigerweise trennen eine Straße des Friedens und ein Priesterweg die verfeindeten Gemeinden von Michendorf und Langerwisch. Gegenstand des lange währenden Streites ist, wie mehrfach berichtet, die neue Trassenführung der B 2. Des einen Uhl ist des anderen Nachtigall: Wilhelmshorst und sein Nachbar Langerwisch (in Sachen Peter Huchel uneins) sehen gar nicht ein, warum sie den Verkehr des entlasteten Michendorf ertragen sollten, so es dazu käme. Das kann aber noch Jahre dauern, denn wegen mehrerer Klagen geschieht derzeit gar nix. Und obwohl also nichts geschieht, oder ge-rade deshalb, kriegen sich die Nachbarn gröblich in die Haare. Kein Frieden an der Friedensstraße, Versöhnung tut Not. Deshalb lud die evangelische Kichenge-meinde Langerwisch/ Wilhelmshorst am Sonntag genau an dieser Stelle zum angeblichen „Waldgottesdienst“ – aufs Feld, genauer auf die Wiese. Unruhe im Vorfeld, denn man fürchtete Parteinahme für oder gegen die alte, oder neue B 2. Für die priesterliche Seite wohl ein Drahtseilakt, denn man wollte Flagge zeigen und musste doch neutral sein, man durfte keinen Teil der Streithähne rügen oder favorisieren, doch Wirkung sollte sein. Und so wandte man sich auf gut protestantisch an die Herzen, ohne auszusprechen, was vielleicht sonst noch dazugehört hätte. Zudem darf man annehmen, dass die etwa 80 Gottesdienstbesucher nicht jene waren, deren Herzen gewendet werden sollten: Die Gutwilligen kommen sofort, die Unbelehrbaren bleiben stets weg. Gemeint sind also immer die anderen. An wen also war die Predigt von Pastorin Steffi Gobb-Wiechel adressiert, an den Wind, an die Zukunft? Die einstündige Veranstaltung wurde mit Herz und Liebe vorbereitet. Altar und Kreuz waren nach Sonnenaufgang ausgerichtet, ein Saxophon-Trio blies wunderbar die Choräle u.a. zur Gottesfeier, die Jungen Gemeinden hatten gemeinsam mit Nabu-Jüngern aufklärerische Argumente gesammelt: Obwohl allesamt Nutznießer dieser zerstörerischen Zivilisation, stellte man das Ideal einer intakten Natur der stinkend-lauten Umgehung krass gegenüber, Tiere und Pflanzen sollen gerettet werden: Bäume statt Stümpfe - „Schön klang die Stille“ - vor der Umgehung. Man rezitierte Gerhard Schöne und Reiner Kunze, auch den christlich intendierten Kabarettisten Hüsch. Der Wind indes blätterte die Bibel auf dem Altartisch Seite für Seite unsichtbar um. Behufs eines symbolischen Tauziehens wollte die Jugend klarmachen, was bei all dem Gezerre kaputtgehen kann: Freundschaft, Nachbarschaft, Hoffnung – als ob das nicht schon geschehen wäre. Die Herzen sind hart, die Nachbarn Feinde: Wenn es ans Eingemachte geht, wird der Mensch zum selbstischen Wolf. Die andere Hälfte war sozusagen theologischer Appellativ am Priesterweg. Pastorin Gobb-Wiechel beschrieb den „Alptraum Michendorf“ noch einmal, und wollte, weil Eigennutz nur Unfrieden und Fanatismus erzeuge, die Versöhnung trotzdem wagen. Ein Balanceakt für Seiltänzer– mit dem paulinischen Römerbrief (12. Verse 9 bis 21) ging das in der verfahrenen Anrainer-Situation tatsächlich ganz gut, bezieht er sich doch auf den „ersten Gemeindestreit“ in der Geschichte des Ur-Christentums. Paulus Rat: „Haltet mit allen Menschen Frieden! Lasse dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Segnet, und flucht nicht.“ Gobb-Wiechel fügte hinzu: „Bewahrt die Achtung voreinander. Bleibt Nachbarn. Es gibt ein Leben nach der B 2!“ Das nun war nicht in den Wind gesagt, zwischen Friedensstraße und Priesterweg, das war christlich gesprochen. Doch an den Früchten soll man es erkennen: Erst wenn die Gerichts-Entscheidung, notwendig, kommt, wird sich zeigen, ob dieser ungewöhnliche „Feldversuch“ die seinen brachte - von der Zukunft auf die Gegenwart zu, die letzten Sonntag war.
Gerold Paul
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