Von Gabriele Hohenstein: Bewährungsstrafen für Müllsünder
Die Folgekosten liegen bei etwa eineinhalb Millionen Euro Angeklagte Lutz G. und Thomas W. gaben sich während des Prozesses weitgehend ahnungslos
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Potsdam-Mittelmark – Der Drahtzieher des Müllskandals von Prützke ist inzwischen verstorben. Er kann nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Seine zwei Erfüllungsgehilfen wurden gestern nach viertägiger Verhandlung vom Amtsgericht Potsdam wegen illegaler Entsorgung gefährlicher Abfälle und unerlaubten Betreibens von Anlagen zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Im Fall von Thomas W. (51) ging das Gericht von vorsätzlichem Handeln in einem besonders schweren Fall aus. Seine Freiheitsstrafe von zwei Jahren wurde „mit großen Bauchschmerzen“ zu dreijähriger Bewährung ausgesetzt. Der Mann muss als Auflage 500 Euro zahlen und 200 Arbeitsstunden leisten. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und zehn Monate Haft gefordert. Schließlich ist er einschlägig vorbelastet. Lutz G. (45) – er handelte nach Ansicht des Gerichts grob fahrlässig, zeigte aber Reue – erhielt sechs Monate. Er muss sich zwei Jahre bewähren und 1000 Euro zahlen.
Bei einer Kontrolle im Mai 2006 hatte ein Mitarbeiter des Landesbergbauamtes in der Kiesgrube Prützke, in der ausschließlich Bauschutt gelagert werden darf, geschredderten Plastikmüll entdeckt. Der war bei einer zweiten Kontrolle zwar abtransportiert, doch unter einer frisch planierten Sandfläche kamen weitere Abfälle zutage, die in die Sondermüllverbrennungsanlage gehört hätten. Er informierte die Polizei. Justitias Mühlen begannen zu mahlen.
Lutz G. und Thomas W. gaben sich während des Prozesses weitgehend ahnungslos. Dass die Männer nicht wussten, was sich in der Grube tat, glaubten ihnen Staatsanwaltschaft und Gericht nicht. Lutz G. war immerhin Geschäftsführer der Recyclingfirma PSR, die die Grube rekultivieren wollte, Thomas W. Prokurist. Er erzählte allerdings während des Prozesses, lediglich ein vom Arbeitsamt bezahltes Praktikum bei der PSR gemacht zu haben, sein Dienstwagen war ein 5er BMW. Sein ehemaliger Kollege Lutz G. behauptete, als Geschäftsführer der Firma kein Gehalt bezogen zu haben. Eigentlich habe er auch nicht viel zu führen gehabt. Er sei mit seinem inzwischen verstorbenen Vorgesetzten ein bisschen durch die Gegend gefahren und habe Briefe auf dem Computer getippt.
Fünf Euro werden für die Entsorgung einer Tonne unbelasteten Bauschutts verlangt. Die Firma PSR forderte 25 Euro. „Anrüchig“, sagte ein Mitarbeiter des Landeskriminalamtes, der sich seit Jahren mit Müllskandalen befasst, während der Verhandlung. Der Preis sei ein Indiz, dass in Prützke mehr verkippt wurde, als offiziell deklariert. Laut Staatsanwaltschaft sind hier mindestens 35 000 Kubikmeter Müll illegal entsorgt worden. Ein wichtiges Indiz der Anklage waren die Diskrepanzen zwischen Rechnungen, Liefer- und Wiegescheinen. Etwa eineinhalb Millionen Euro – realistisch sei eher das Doppelte – dürfte die Wiederherstellung des Bodens nun kosten, führte ein Gutachter während des Prozesses aus. Da die Firma PSR inzwischen pleite ist, werden die Kosten wohl beim Steuerzahler hängenbleiben.
Brandenburg gehört zu den Ländern mit den bundesweit meisten Umweltdelikten. Jährlich kommen etwa 30 neue hinzu. Inzwischen sind erste große Verfahren beim Landgericht anhängig. Derzeit ermittelt das Landeskriminalamt gegen Betreiber eines Recyclinghofs bei Glindow sowie eines Kiessandtagebaus in Michelsdorf, weil sie Kunststoffabfälle versetzt haben sollen.
Gabriele Hohenstein
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