Potsdam-Mittelmark: „Bikers welcome“
Motorradfahrer rund um den Schwielowsee gründen einen Stammtisch
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Motorradfahrer rund um den Schwielowsee gründen einen Stammtisch Schwielowsee · Geltow - Sie sind längst nicht alle die finsteren Typen, bei deren Anblick der Durchschnittsbürger erzittern muss, oder die jungen Halbstarken, die auf Volksfesten für Ärger sorgen. Und doch müssen Motorradfahrer gegen Vorurteile kämpfen – bei Autofahrern, in der Öffentlichkeit und sogar bei der Polizei. Die Vielfalt der Schikanen sei groß, sagt Rolf Frieling, Chef der deutschen „Biker Union“. Von speziellen Straßensperrungen bis hin zu gezielten Verkehrs- und Personenkontrollen bei vermeintlichen Rockern weiß er zu berichten. „Bei einem Treffen in Bayern vor zwei Jahren hat die Polizei nach Waffen gesucht. Die Leute mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen.“ Zeitweise waren sogar die Rückenaufnäher der örtlichen Motorrad-Clubs, sogenannte „Colours“, verboten – und zwar nicht nur die der berüchtigten „Hells Angels“ und „Banditos“. Die Motorradfreunde, die sich am Samstag in Wildpark-West trafen, pflichten ihm bei. Am Wochenende haben sie deshalb einen „Bikerstammtisch“ gegründet. Sie wollen sich in politische und gesellschaftliche Entscheidungen einbringen und Biker-Interessen vertreten. Es geht aber auch darum, in engeren Kontakt mit anderen Zweiradfahrern aus der Region zu kommen. Bundesweit gibt es über 70 solcher Bikerstammtische, Ortsvereine der „Biker Union“, dem Dachverband der Deutschen Motoradclubs. Sie hat sich vor 18 Jahren gegründet, und damals habe man es als Motorradfahrer sogar noch schwerer als heute gehabt, erinnert sich Vorsitzender Frieling. Dabei seien die ruppigen Biker der „Marlon-Brando-Generation“ längst älter geworden, meint er. „Motorradfahren ist heute auch ein Marktsegment“, viele Neueinsteiger seien in die Szene gekommen. Von bösen Rockern ist auch am Schwielowsee kaum eine Spur. Zwar tragen auch sie Lederkluft und Kopftuch und fahren schwere Chopper-Maschinen. Von Gewalteskapaden „einiger Randgruppen in der Szene“ distanzieren sie sich jedoch. Die Biker um Stammtisch-Chef Harald Rug finden vielmehr: „Das wichtigste ist die Gemeinschaft.“ Der Kodex ist klar definiert und geht über das Grüßen im Vorbeifahren weit hinaus. Auch wenn einer den Schlüssel stecken lässt, darf die Maschine nicht angerührt werden, lautet eine der Regeln. Wenn jemand liegen bleibt, gibt es Pannenhilfe – egal woher der Andere kommt oder was er fährt. „Wir halten auch für Schwalben.“ Rug selbst fährt Motorrad, seit er einen Führerschein hat: Von der tschechischen Jawa und MZ-Zweirädern zu DDR-Zeiten bis zur 1300er Honda, die er heute sein Eigen nennt. Er erzählt, dass längst nicht mehr alle Menschen einem Biker skeptisch gegenüber stehen. Wie bei den Bikern gibt es solche und solche – und manchmal würden sich die Leute freuen, wenn eine Chrom-Karavane an ihnen vorbei fährt. „Bei einigen Dorffesten hängt am Ortseingang sogar ein großes Schild, auf dem steht: Bikers welcome“. Auch sei das Motorradfahren längst keine Männer-Domäne mehr. Die Treffen würden oft zu Familienausflügen werden. Die Freunde von Rug, Leute aus Brück, Werder, Potsdam und Geltow, die trotz aller Salonfähigkeit namentlich nicht erwähnt werden wollen, sind fast jedes Wochenende unterwegs. Ein bisschen rockig gibt man sich aber dann doch – wenigstens in musikalischer Hinsicht. AC/DC ist Programm. In Anbetracht der Gründungsparty am Wochenende bemerkte einer: „Wenn der DJ heute Abend den Holzmichel auflegt, raste ich aus.“
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