Potsdam-Mittelmark: Bilder durch Düfte
„Blind und einsam muss nicht sein“ – so das programmatische Motto der regionalen Selbsthilfegruppe
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Teltow - Eigentlich duften alle Pflanzen, aber manche entfalten ihren Duft erst beim Berühren. Im „Garten der Sinne“ des Berliner Blindenzentrums dürfen Besucher auch manches Blatt und Stängelchen in die Hand nehmen. Das war ein besonderes Erlebnis für die Mitglieder der Selbsthilfegruppe der Blinden und Sehbehinderten aus der Region Teltow. Da hielten sie in ihren Händen vertraute Düfte aus Kindertagen, die Erinnerungen weckten und für Gesprächsstoff sorgten. Aber auch neue exotische Düfte, die würzig und frisch zugleich rochen und die sie vorsichtig mit den Fingern zu begreifen versuchten. Einige aus der Gruppe, die noch einen kleinen Rest Sehnerv besitzen, teilten den anderen ihre Erkenntnisse mit.
Um gemeinsam etwas zu erleben, gehen die 28 Mitglieder der Selbsthilfegruppe einige Male im Jahr auf Fahrt, gemäß dem Motto „Blind und einsam muss nicht sein“. Die meisten kennen sich schon seit Jahren, die Älteste ist 94 Jahre alt. Dass sie alle sehr unternehmungslustig sind, beweisen die vielen Ideen, die sie kürzlich bei einem Treffen für den diesjährigen Veranstaltungskalender diskutierten. Naturerlebnisse stehen ganz oben auf der Wunschliste, wie beispielsweise der Besuch eines Storchenhorstes und eine Wanderung über den Stahnsdorfer Südwestkirchof, um dort im Frühjahr den Singvögeln zu lauschen. Außerdem ist das alljährliche Gartengrillfest wieder ein fester Termin im Kalender, ebenso werden sie wieder mit ihrem Stand beim Teltower Kirschblütenfest und dem Stahnsdorfer Dorffest dabei sein. Auch Vorträge und Buchlesungen sind beliebt. Für die Frühlingskonzerte in der Stabholzkirche wirbt Jutta Kerwitz, die nach dem Tode ihres Mannes der Gruppe treu blieb, obwohl sie nicht sehbehindert ist. „Aber ich bin geübt im Umgang mit Nicht-Sehenden“, erklärt sie. Sie hilft gern neuen Mitgliedern in der Gruppe Kontakte zu finden.
Anders als in anderen Vereinen muss vor jedem Treffen die Anreise der Gruppenmitglieder organisiert werden, denn nicht alle haben Angehörige, die den Transport übernehmen. Auch in diesem Jahr ist wieder ein Gartenbesuch geplant und das wird der Japanische Garten in Berlin Marzahn sein. Dort gibt es einen kleinen Wasserfall, Bambuszäune und viele Steine zum Tasten.
Etwas abtasten können hilft vielen Sehbehinderten sich ein Bild zu machen. Im Pückler-Schloss bei Cottbus durften sie so einmal ausnahmsweise die Mosaiken und Skulpturen „sehen“. Um mit den Händen auch mal kreativ werden zu können, hat sich Barbara Noack etwas Besonderes einfallen lassen: den Besuch einer Keramikwerkstatt. Am liebsten würde sie dort eine Vase formen, die nicht umfällt. „Die sollte unten breit, oben etwas schmaler sein und vor allem einen Henkel haben.“ Von diesem Modell müssten dann in der Werkstatt gleich 25 Stück hergestellt werden, damit „jeder in der Gruppe eine bekommt“.
Es gibt bereits eine Menge Hilfsmittel, die Blinden und Sehschwachen den Alltag erleichtern, erzählt Gruppensprecherin Waltraud Prochnow. Zum Beispiel eine Bildschirmlupe fürs Fernsehen und ein Vorlesegerät, das den Text von Handzetteln und Büchern zeilenweise erfassen kann. Die engen Spalten von Zeitungen sind mit dem Gerät allerdings nur mühsam zu lesen, weiß Prochnow. Bei den monatlichen Treffen werden auch Tipps zu interessanten Hörbüchern ausgetauscht, ebenso informieren sich die Mitglieder über veränderte Buslinien oder Umwege, aufgrund von Baustellen. Oftmals sind sie aber auf der Straße auf Hilfe angewiesen, weil es nur selten behindertengerechte Ampeln gibt, in Teltow befindet sich nur eine vor dem AOK-Gebäude. Nicht so einfach zu erkennen sind für Blinde zudem abgesenkte Bordsteine, die Rollstuhlfahrern das Überqueren ermöglichen. "Für uns ist das jedoch ungünstig", stellt Barbara Noack fest und meint, dass man dort vielleicht Rillen anbringen könnte, so wie an Bushaltestellen, wo man sich an solchen Markierungen orientieren kann.
Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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