Von Tobias Reichelt: Biomüll zu Wunderkohle
Praktischer Umweltschutz: Wie in Teltow in einem riesigen Schnellkochtopf Abfall zu Gold wird
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Teltow - Volker Zwing steckt seine Hand tief in die dunkle Soße. „Das ist absolut steril“, erklärt der Geschäftsführer der Kleinmachnower „Carbon Solutions GmbH“ und rührt wie zum Beweis ein wenig in der zähflüssigen Pampe umher. „Riecht nach geröstetem Malz“, sagt er und zieht die Hand wieder raus. Auf seiner Haut sind kleine dunkle Krümelchen kleben geblieben. „Das ist Kohle“, erklärt Zwing – Biokohle, gewonnen aus Abfällen wie Laub, Gülle, abgeschnittenen Ästen oder Bananenschalen. Das schwarze Gemisch könnte die Energieversorgung der Welt revolutionieren – oder aber eines ihrer größten Probleme anpacken: Die Vermeidung von klimaschädlichem Kohlendioxid.
In einer unscheinbaren Baracke auf dem Teltomat-Gelände in Teltow werden dafür derzeit die Grundlagen geschaffen. Was an der Ruhlsdorfer Straße seit Mitte Oktober steht, nennt sich etwas umständlich „Hydrothermal-Carbonisierungs-Anlage“ (HTC) und ist im industriellen Maßstab die erste ihrer Art. Zwing nennt es zum besseren Verständnis „einen der größten Schnellkochtöpfe der Welt“. Jetzt ist der HTC-Topf angefeuert – und ohne Pause soll jetzt hier jede Menge Biomüll in Biokohle verwandelt werden.
„Hier steckt schon der Ansatz drin, die Welt zu retten“, sagt Zwing, und deutet auf das verschlungenen Gewirr aus Röhren, Leitungen, Ventilen und Kabeln. Bis zu 10 000 Tonnen Abfall wie Grünschnitt oder nasses Laub kann die Anlage im Jahr verarbeiten. Das Prinzip ist vergleichsweise einfach und erinnert ans Kochen: Auf der einen Seite der etwa 30 Meter langen Halle wird der Biomüll mit einem Radlader in einen großen Schredder gegeben. Ist der Abfall zu trocken, kommt Wasser hinzu. Über die Leitungen gelangt der feuchte Kompost in den Schnellkochtopf und wird hier bei einem Druck von 200 Bar auf 200 Grad erhitzt. Anschließend passiert in etwa 90 Minuten das, wofür die Natur Jahrmillionen benötigt: Die Kohlenhydrate der Pflanzenreste werden in Kohlenstoff und Wasser zerlegt. Das Ergebnis ist die Brühe, in der feine Kohlekrümelchen schwimmen.
Allein damit ist der Umwelt geholfen, erklärt Zwing. Denn fast sämtlicher Kohlendioxid, den die Pflanzen beim Verrotten an die Umwelt abgegeben hätten, ist nun in der Kohle gebunden – und das ist ziemlich viel: Allein in Berlin fallen jährlich etwa 200 000 Tonnen Biomüll an. Verrottet der Müll, erzeugt er etwa 75 000 Tonnen Kohlendioxid, sagt Zwing. „Unsere HTC-Anlage soll die Verwendung der unterschiedlichen Bioabfälle testen.“ Bislang habe die Maschine alles geschluckt, was im entferntesten pflanzlich ist, selbst Rindermist. Ist die Anlage erst im Gang, produziert sie ab einem bestimmten Punkt selbst genug Druck und Hitze für die chemischen Prozesse. „Sie läuft dann fast ohne Strom“, sagt Zwing.
Gemeinsam mit der Fachhochschule Eberswalde arbeitet „Carbon Solutions“ daran, eine Verwendung für das Wasser-Kohle Gemisch zu finden. Die erste Erkenntnis: Auf einem Acker versprüht, kann es dafür sorgen, dass der Boden mehr Wasser speichert. „Der Boden wird stabilisiert.“ Es kann unter anderem bei der Reifenherstellung verwendet werden, um die Pneus schwarz zu färben.
Dritte Variante: Die Biokohle kann getrocknet und CO2-neutral verbrannt werden, bei „Carbon Solutions“ ist man davon allerdings nicht begeistert. Der Umweltschutz sei dahin, so Chefingenieur Arne Stark. Dennoch führt er an einem getrockneten Stückchen vor, wie gut das Material brennt: Sofort fängt es Feuer. „Problemlos“, sagt er, „mit Holzkohle würde das ewig dauern.“ Das Interesse der Industrie an dem Bio-Energielieferanten ist – trotz der Skepsis bei „Carbon Solutions“ – groß. In vielen Produktionsstätten fallen biologische Abfälle an, die bislang entsorgt werden müssen. Kippt man den Müll in die Anlage, wird der Abfall zu Gold. Bis zu 200 Euro kostet eine Tonne Biokohle auf dem Markt.
Etwa 1,5 Millionen Euro muss für den Bau einer HTC-Anlage investiert werden. Schon im nächsten Jahr will „Carbon Solutions“, ein Unternehmen aus Kleinmachnow, das gemeinsam mit dem Potsdamer Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung arbeitet, weitere Anlagen bauen. Interessenten gibt es sogar im nahen Umfeld: „Die Gemeinde Kleinmachnow ist interessiert“, sagt Zwing. Der Bauhof könnte seinen Grünabfall in Kohle verwandeln, im Frühjahr sollen erste Tests anlaufen. „Die ganze Region Teltow, Kleinmachnow, Stahnsdorf könnte bald als klimaneutral gelten“, wirbt Zwing.
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