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Potsdam-Mittelmark: Blasiert und devot, naiv und arglos

Mit „Prinz und Bettelknabe“ feiert Weinberg-Ensemble – vorläufigen – Abschied von den Kleinmachnower Kammerspielen

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Mit „Prinz und Bettelknabe“ feiert Weinberg-Ensemble – vorläufigen – Abschied von den Kleinmachnower Kammerspielen Kleinmachnow. Der Andrang zur Aufführung „Prinz und Bettelknabe" am Freitagabend in den Kleinmachnower Kammerspielen war groß. Auch, weil es sich herumgesprochen hatte, dass die diesjährige Weihnachtsinszenierung des „Theaters am Weinberg" vielleicht die letzte in der traditionsreichen Spielstätte sein könnte. Zwar proben die Theaterenthusiasten bereits für die Sommerinszenierung, doch ungewiss ist derzeit, wo diese Premiere stattfinden wird, wie Prinzipalin Kathrin Heilmann den Gästen im Hinblick auf den Regiewechsel des Hauses erklärte. „Wir wissen ebenso wenig, ob sich dann auch Schüler die Kammerspiele zu einem machbaren Preis leisten können." Trotzdem hoffte nicht nur sie an diesem Abend, dass das Ensemble in dem Traditionshaus weiter spielen kann. Seit 13 Jahren präsentiert das Schülertheater des Weinberg-Gymnasiums alljährlich ein neues Stück unter der Regie von Kathrin Heilmann. Zusätzlich werden seit sechs Jahren Weihnachtsstücke einstudiert. Die sehnsüchtig erwarteten Aufführungen sind Kulturereignisse, die keiner im Ort missen möchte. Deshalb konnten auch unübersehbare Wasserflecken an der Decke des Theatersaales die Vorfreude der Zuschauer nicht trüben. Und als das Licht im Saal erlosch, verriet allein das zeitweiliges Knarren in den Stuhlreihen, dass für das Haus mehr als eine Farbauffrischung nötig ist. Leidenschaft mit Erfolg Im Gegensatz zu den Kostümen fiel die Kulisse für den „Prinz und Bettelknaben“ in diesem Jahr spartanischer aus als sonst. Ein Podest symbolisierte den Abstand der Krone zur niederen Ebene des Volkes. Witziges Detail: das Tor zum Palast, das mit aufwändiger Schlüsselzeremonie geöffnet oder verschlossen wurde, je nach Gutdünken und Laune des Wächters. Den spielte Julian Krause köstlich blasiert und devot zugleich. Spaß hatte das Publikum auch am ironischen Spiel von Raimund Widra, der einen trottligen Heinrich VIII. gab. Der machte vorsichtshalber sein Testament, nachdem er kurzzeitig seinen eigenen Puls nicht mehr hören konnte, um wenige Tage darauf friedlich im eigenen Bett zu sterben. Die Inszenierung orientierte sich an den wichtigsten Handlungssträngen der bekannten Erzählung Mark Twains. Prinz Edward, Sohn von Heinrich VIII., begegnet zufällig dem Betteljungen Tom. Jeder ist fasziniert von der Welt des anderen und als sie vor dem Spiegel ihre Kleider tauschen, entdecken beide verblüfft ihre Ähnlichkeit. Noch bevor sie den Kleidertausch rückgängig machen können, wird der Prinz vom Wächter davongejagt. Schlimmer als die Beschimpfungen durch Wächter und zwei junge Ladies sind aber für Edward die jähzornigen Wutausbrüche von Toms Vater. Der schickt seinen Sohn betteln und ist nahe dran, den vermeintlichen Tom zu erwürgen, als der keinen Penny nach Hause bringt. Florian Dieter beweist in der Rolle des groben Vaters seine Wandlungsfähigkeit. Sein temperamentvolles Spiel geht durch alle Klimazonen. Ebenso überzeugend das Spiel von Christopher Tesch als Bettelknabe Tom. Naiv und arglos bestaunt er anfangs das Leben im Palast, schlängelt sich dann durch höfische Etikette, nachdem alle ihn für Edward halten. Er korrigiert Kabinettsvorlagen, indem er den Krieg gegen Frankreich auf zehn Jahre verschieben lässt, er senkt Steuern statt sie zu erhöhen und will Ausgaben einsparen, indem er sich vornimmt, am Fischmarkt ein Haus zu beziehen. Doch bevor das alles umgesetzt wird, erscheint der wirkliche Kronprinz Edward. Auch er kindlich naiv, allerdings mit eitlen Facetten, gespielt von Johann Jürgens. Nur Tom erkennt ihn und zögert nicht das Missverständnis aufzuklären. Ein leidenschaftliches Stück um Aufrichtigkeit, die nicht an Stand und Herkunft gebunden ist. Wie nicht anders zu erwarten, war auch das diesjährige Weihnachtsstück ein voller Erfolg.Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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