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Wieder daheim. Micky mit ihrem Frauchen Sigrid Varduhn und dem ersten Blutspender Ben (links).

© Manfred Thomas

Potsdam-Mittelmark: Blut von Wilma und Ben

Wie Schnauzer-Mix Micky aus Caputh mit Blutspenden aus Werder das Leben gerettet wurde

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Schwielowsee / Berlin - Sigrid Varduhn aus Caputh war im Urlaub auf Rügen. Ostseefeeling wollte nicht aufkommen: Ihre Hündin Micky wirkte matt, hatte kaum Appetit, röchelte. Das alles sah dem vierjährigen Schnauzer-Mix nicht ähnlich. Vor Ort konnte man ihr nicht helfen, in einer Tierklinik in Rostock wurden Micky kaum Überlebenschancen gegeben. Varduhn brach ihren Urlaub ab, fuhr nach Hause, suchte Rat in der Tierklinik Düppel, einer Außenstelle der Freien Universität Berlin.

Bei Micky wurde eine schwere Thrombopenie diagnostiziert, ein Mangel an Blutplättchen, Thrombozyten. Die Blutgerinnung war gestört, das Tier drohte zu verbluten. Als Ursache wurde eine Autoimmunkrankheit vermutet. Micky brauchte frisches Spenderblut – und eine intensive medizinische Behandlung.

Für das, was dann passierte, ist Varduhn bis heute dankbar. Sie fragte in der Hundeschule Werder (Havel), wo auch ihre vierjährige Micky gutes Benehmen trainiert, ob man helfen könne. Inhaberin Frances Trambowsky war die erste, die sofort mit ihrem Ben zur Klinik kam. „Ich kenne Sigrid Varduhn und Micky schon sehr lange“, so Trambowsky.

Bei der nächsten Spielstunde in der Hundeschule hätten dann gleich mehrere Halter Hilfe zugesagt, erzählt Trambowsky. Und weitere folgten: Arag aus Langerwisch, Merry aus Werder, Wilma aus Neu Fahrland – rund zwanzig Hunde standen als Spender bereit, bei der Hälfte stimmte dann auch die Blutgruppe. Einige Spenden kamen vom Tierschutzverein „Weiße Pfote“. Das rettete Micky wohl das Leben.

Die Todesrate kann bei einer von Veterinären behandelten, immunbedingten Thrombopenie bis zu dreißig Prozent betragen, in Düppel lag sie in den vergangenen Jahren unter zehn Prozent, sagt Professorin Barbara Kohn, stellvertretende Klinikchefin. Mit Blutkonserven werde in der Veterinärmedizin schon seit Jahrzehnten gearbeitet, eine Blutbank wie in der Humanmedizin gab es lange nicht. Barbara Kohn hat in Düppel 1996 begonnen, eine aufzubauen. Die Blutbank sei auch heute die größte in Deutschland, sagt die Veterinärmedizinerin. Rund 250 Hunde und Katzen pro Jahr kommen mit ihren Herrchen und Frauchen zum Spenden.

Die Konserven werden bei inneren Blutungen nach Autounfällen benötigt, bei platzenden Tumoren oder wenn Haustiere aus Versehen Rattengift gefressen haben. Es sei eine Herausforderung, den Bedarf zu decken, gerade bei schweren Behandlungsfällen, bei denen viele Konserven benötigt werden. Oder bei Fällen wie Micky, der wegen seiner Thrombopenie frisches Blut benötigte. „Blutplättchen sind nur kurz lagerbar“, so Kohn.

Micky bekam zehn Tage lang Medikamente, die das Immunsystem und die Antikörperbildung unterdrücken – und Bluttransfusionen. „Einige Spender kannte ich, aber längst nicht alle“, sagt Sigrid Varduhn. Ihren ersten Hund habe sie sehr früh verloren. Sie hofft, dass es bei Micky anders ist. 4000 Euro habe sie in die Behandlung investiert, sie könne verstehen, wenn Leute unterschiedlich darüber denken. „Wer mich gut kennt, weiß, wie sehr ich an Micky hänge.“ Varduhn, die als selbstständige Kommunikationswirtin Textseminare gibt, stellt sich gern zur Verfügung, um für Blutspenden zu werben. Für stern.de wurde ein Kurzvideo über den Fall gedreht. Vielen werde dieses Thema erst bewusst, wenn ihr Haustier selbst in eine Notlage gerät und Transfusionen braucht, auch ihr.

Jeder gesunde Hund zwischen einem und neun Jahren kann spenden. Die Hunde sollten mindestens zwanzig Kilogramm schwer, regelmäßig geimpft und entwurmt sein, heißt es aus Düppel. Etwas Gelassenheit sollten sie mitbringen, zum Spenden müssen sie etwa fünf Minuten seitlich ausharren. Das Tier sollte nach der Blutspende noch ein paar Minuten liegen bleiben, um Schwindelgefühl oder Übelkeit zu vermeiden. Als Dankeschön gibt es einen Sack Futter. „Wir haben in all den Jahren keine negativen Effekte durch die Blutabnahme erfahren“, sagt Professor Kohn.

Micky wurde nach erfolgreicher Behandlung nach zwei Wochen aus der Klinik entlassen. Sigrid Varduhn ist glücklich: Entwarnung gibt es noch nicht, aber ihr Schnauzer-Mischling ist auf dem aufsteigenden Ast. Die Prognose ist günstig, die Blutwerte sind stabil. „Zuerst war ich in Panik, wo ich in wenigen Stunden Spenderhunde finde. Und dann haben uns so viele mit ihren Hunden geholfen.“

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