Aus dem GERICHTSSAAL: Bombendrohung aus Liebeskummer
Stimmenanalyse überführt Angeklagten / 800 Euro Geldstrafe
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Werder – Die Polizei nahm die Bombendrohung, die um 1.25 Uhr des 12. August 2002 über die Notrufnummer einging, durchaus ernst. Und auch die Leitung des Werderaner Seniorenheims überlegte, die betagten Bewohner in Sicherheit zu bringen. Ein Mann hatte am Telefon 100 000 Euro gefordert. Andernfalls würde das Altenheim in die Luft fliegen. Der Anruf wurde bei der Leitstelle routinemäßig mitgeschnitten. Ein Verdächtiger war bald gefunden. Ende 2004 verhandelte das Amtsgericht gegen Tobias T.* (32) aus Ferch wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhen einer Sprengstoffexplosion und Missbrauchs von Notrufen. Doch der gelernte Dachdecker bestritt die Tat. Richter Francois Eckardt beauftragte das Landeskriminalamt Brandenburg mit einer Stimmenanalyse.
Jetzt gab es eine Neuauflage des Prozesses. Experten des LKA-Sachgebiets Spracherkennung bestätigten: Tobias T. ist „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ der nächtliche Anrufer. Seine Artikulation sei zwar verwaschen, was auf Alkoholgenuss zum Zeitpunkt des Telefonats schließen lasse. Aber Stimmtonhöhe sowie der mittelmärkische Dialekt würden mit der Sprechprobe übereinstimmen, die der Arbeitslose den Gutachtern zu Vergleichszwecken zur Verfügung stellte. „Das kann ich mir nicht vorstellen“, gab sich der Angeklagte mit dem Pferdeschwanz erstaunt. „Ich war das nicht.“
„Tobias T. war damals als Hausmeister bei uns tätig“, erinnerte sich die ehemalige Heim-Chefin im Zeugenstand. „Er verliebte sich heftig in eine Angestellte. Die Sache ging leider in die Brüche. Der junge Mann begann zu trinken und kam einfach nicht mehr zur Arbeit. Da haben wir ihn gekündigt.“
„Der Angeklagte hatte also Probleme mit Ihrer Einrichtung“, konstatierte der Vorsitzende, spielte der Zeugin dann den Mitschnitt des Drohanrufs vor. „Den kenne ich schon von der Polizei“, parierte die Frau. „Damals habe ich ausgesagt, es könnte die Stimme eines Mannes sein, den wir kurzzeitig in unserer Einrichtung beschäftigten. 100-prozentig sicher war ich mir allerdings nicht. Dabei bleibe ich auch heute.“
„Wenn ich die Stimme höre, habe ich das Gesicht von Tobias T. vor Augen“, versicherte Altenpflegerin Maja M.* (32). Ein ehemaliger Nachbar des Angeklagten, dessen frühere Aussage während des Prozesses verlesen wurde, erkannte beim Anhören des Bandes „genau die abgehackte Sprechweise von Tobias T. wieder, wenn er getrunken hat“.
„Der Angeklagte hatte ein Motiv für den Anruf“, war sich die Staatsanwältin sicher und beantragte eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro für den Hartz–IV-Empfänger. Das Gericht befand 40 Tagessätze für angemessen. „Sie haben billigend in Kauf genommen, dass die alten und kranken Leute unnötigen Aufregungen ausgesetzt werden, indem man sie mitten in der Nacht woanders unterbringt“, rügte der Vorsitzende. „Dafür müssen Sie schon mit einer empfindlichen Geldstrafe zahlen.“ (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga
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