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KulTOUR: Brillant, aber ohne jene Anarchie

Michendorfs Kleine Bühne zeigt Dario Fo

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Michendorf - Eigentlich ist die Idee des Aufruhrs, des „zivilen Ungehorsams“ an dieser butterbraven Bürgergesellschaft längst aus der Welt. Vor gut 40 Jahren war das noch ganz anders. Der 1926 im italienischen Sangiano geborene Autor, Regisseur und Erzähler Dario Fo schrieb und produzierte damals kecke Stücke für Unangepasste wie „Zufälliger Tod eines Anarchisten“ oder „Offene Zweierbeziehung“.

Auch „Bezahlt wird nicht“ aus dem Jahr 1974 ist manchem noch bekannt, eine flotte Komödie oder Farce um die Frage, welche Mittel das Volk im Notfall gegen den allgegenwärtigen Staat zu Felde führen könnte. So ein Casus tritt ein, als im Supermarkt die Preise kräftig angehoben werden und im Autowerk nebenan zugleich Kurzarbeit verkündet wird. Nach dem Motto „was de hast, das haste!“ stürmen aufgebrachte Frauen den Laden und plündern, was das Zeug hält. So beginnt auch in Michendorfs Kleiner Bühne Dario Fos Erfolgsstück, welches am Freitagabend seine umjubelte Premiere feierte. Regisseurin Christine Hofer, bereits mit „Altweiberfrühling“ vor Ort erfolgreich, kann auf ein gut geschultes und erfahrenes Ensemble zurückgreifen, besonders im weiblichen Fach.

So brachte schon das Entree, neun Plünderinnen mit vollbepackten Tüten und dem Schlager-Oldie „Azurro“ auf den Lippen, die ersten Zuschauersympathien, und als der hungrige Kurzarbeiter Giovanni (Andreas Linck) von seiner schnattermauligen Frau Antonia (Birgit Schneider) genötigt wird, sich mit geklautem Katzenfutter zu atzen, standen dem Team alle Herzen offen. Es war ja auch zum Brüllen, wie die Frauen auf der permanenten Flucht vor Polizei und Carabinieri ihre Beute unter Kleidern und Röcken verstecken, als ob ein ganzer Stadtteil gleichzeitig in Turbo-Schwangerschaft geraten wäre. Das kam dann sogar der Ordnungsmacht verdächtig vor, aber die Frauen fanden immer Mittel, sie abzulenken. Brillante Szenenlösungen hat man dafür gefunden, manche streiften sogar die Revue. Und dann ist da auch noch Margherita (Manuela Heyn), die wider Willen und besonders tief in den Sog dieser hervorragend inszenierten Farce gerät. Eine schöne Rolle, nur wäre hier ein Hauch mehr Eigensinn gegen die dominante Antonia möglich gewesen, im selben Maß übrigens wie ihr Mann Luigi (Mario Schüning) zu Giovanni.

Es ist eine leichtfüßige, höchst vergnügliche Schnurre. Was jedoch fehlte, war nicht nur Fos Utopie beim Finale, auch jener Hauch von Anarchie, ob dessen „Bezahlt wird nicht“ ja wohl geschrieben sein dürfte. Gerold Paul

Nächste Vorstellungen am 10. und 11. Oktober um 19.30 Uhr sowie am 12. Oktober um 17 Uhr.

Gerold Paul

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