Aus dem GERICHTSSAAL: Brutaler Angriff im Linienbus
Angetrunkenen gefiel das Tattoo des Opfers nicht. Ein Schläger muss jetzt 50 Sozialstunden leisten
Stand:
Michendorf – Erst machte sich die Gruppe über das Tattoo am Hinterkopf des Beelitzers lustig. Dann schlugen ihn vier der Angetrunkenen im kaum besetzten Bus nach Michendorf zusammen. Der damals 24-Jährige büßte die Ecke eines Schneidezahns ein, sein Augenbrauenpiercing wurde durch einem Fausthieb herausgerissen, er blutete stark, Pullover und Jacke gingen kaputt. Zwei Wochen litt er Schmerzen in der Nierengegend, nahm psychiatrische Hilfe in Anspruch, um seine Angst zu besiegen.
Zwei Mittäter standen bereits vor dem Strafrichter. Sie wurden zur Zahlung von je 1000 Euro an ihr Opfer verpflichtet. Jetzt musste sich Manuel M. – er war zum Zeitpunkt der Tat am 26. März 2011 gerade 20 Jahre alt – wegen Körperverletzung vor dem Jugendschöffengericht verantworten. Der Förderschulabgänger wurde verwarnt und muss 50 Stunden unentgeltlich arbeiten. Das Urteil ist rechtskräftig.
„Ich habe keine Ahnung, wie oft ich geschlagen habe. Wir kamen von einer Geburtstagsfeier, ich war stark alkoholisiert“, erzählte Manuel M. Das spätere Opfer kannte er nicht, habe sich von ihm auch nicht provoziert gefühlt. Er habe erst zugelangt, als sich der Beelitzer mit Pfefferspray gewehrt habe. „Ich möchte mich bei ihm in aller Form entschuldigen“, betonte der Angeklagte.
„Die Gruppe stieg um 5.55 Uhr am Potsdamer Hauptbahnhof ein“, erinnerte sich Busfahrer Gerhard G.* (66) im Zeugenstand. „Die jungen Männer rannten an mir vorbei, ohne zu bezahlen. Ich pfiff sie zurück.“ Bis Wilhelmshorst hätten sich die mäßig Angetrunkenen ziemlich ruhig verhalten. Dann habe die Pöbelei gegen den Fahrgast mit dem Tattoo begonnen. „Beim Aussteigen an der Haltestelle Luckenwalder Straße hat der Größte dem Mann, der sich auf seinem Sitz befand, eine gelangt. Das kam für ihn wie aus heiterem Himmel. Plötzlich war eine Prügelei im Gange. Ich roch Reizgas. Inzwischen waren drei der Angreifer draußen. Ich schloss die Türen und fuhr erst einmal los.“ Im Rückspiegel habe er beobachtet, dass sich der Angeklagte und der Tätowierte im Bus „pelzten“.
Das Hinterkopf-Tattoo des Zusammengeschlagenen – er trat im Prozess als Nebenkläger auf – ist jetzt von Haaren bedeckt. Wer ihm welche Verletzungen zufügte, vermochte er nach zwei Jahren nicht mehr zu sagen. Unmittelbar nach dem Angriff war er sich aber sicher, Manuel M. habe ihm einen gezielten Faustschlag aufs linke Auge verpasst, bei dem das Brauenpiercing herausgerissen wurde.
„Keiner möchte in öffentlichen Verkehrsmitteln so behandelt werden wie der Geschädigte“, erklärte Verteidiger Karsten Beckmann. Dennoch sei die Attacke nicht von seinem Mandanten ausgegangen. Staatsanwalt Ralf Menger sprach von Gruppendynamik. Einer habe sich von dem anderen anstecken lassen. Da der Angeklagte Reifedefizite aufweise, solle er nach Jugendstrafrecht, bei dem der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht, sanktioniert werden. Seit der Tat habe sich Manuel M. nichts mehr zuschulden kommen lassen. Er sei auf „einem guten Weg“. (*Namen geändert.) Hoga
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: