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Einen Tick größer. Die Panne auf dem Wahlschein blieb nicht unbemerkt.

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Potsdam-Mittelmark: Bürgermeister größer als alle anderen

Werbewirksamer Effekt auf Stimmzetteln in Stahnsdorf. Wahlausschuss berät über Neuwahl

Stand:

Stahnsdorf - Es standen 123 Namen auf den rosa Stimmzetteln zur Stahnsdorfer Gemeindevertreterwahl – einer war größer als alle anderen: der des Bürgermeisters. Vier Wochen nach den Kommunalwahlen kommt Licht ins Dunkel der Stahnsdorfer Wahlpanne. Wie Wahlleiter Steffen Weickert den PNN gestern auf Anfrage sagte, habe er Einspruch gegen die Wahl einlegen müssen, weil der Name Bernd Albers (BfB) als einziger auf sämtlichen Stimmzetteln werbewirksam vergrößert war.

Mit Erfolg: Mit 2886 Stimmen hatte der Bürgermeister als Spitzenkandidat seiner Wählergruppe „Bürger für Bürger“ das mit Abstand beste Ergebnis im Ort geholt. Knapp 14,5 Prozent aller Kreuze landeten bei der Wahl am 25. Mai hinter seinem Namen. Der Unterschied auf den Wahlzetteln ist mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen – aber sehr wohl wahrzunehmen und zu messen, sagte der Sputendorfer Wir-Vier-Politiker Rolf-Denis Kupsch. „Meine Frau hat es sofort gesehen.“

Der neue Ortsvorsteher hat sich zum Beweis einen der wenigen Musterwahlzettel gesichert. Darauf ist auch gleich die zweite Panne der Wahl zu erkennen: Im Gegensatz zu allen anderen angetretenen Parteien und Gruppierungen ist die Kurzbezeichnung von Albers’ Wählervereinigung auf den Zetteln um eine Zeile nach unten verrutscht.

Grund genug für Stahnsdorfs neu gewählte Gemeindevertreter, in ihrer konstituierenden Sitzung am Donnerstagabend einen Wahlprüfungsausschuss einzuberufen. Das Gremium soll den Druckfehler noch vor der Sommerpause in öffentlicher Sitzung überprüfen und über Konsequenzen beraten. Vorgeschlagen hatte das Dietrich Huckshold (Wir Vier), der Altersvorsitzende der Gemeindevertreter. In der Folge könnte der Ausschuss den Gemeindevertretern sogar eine Neuwahl empfehlen, sagte Huckshold.

Das scheint nicht abwegig: CDU-Fraktionschef Daniel Mühlner verwies gegenüber den PNN auf eine zurückliegende Entscheidung des Bundesparteiengerichts im Fall einer Vorstandswahl bei der Partei „Die Linke“. Auch dort hätten sich die Namen einzelner Kandidaten auf den Stimmzetteln in ihrer Schriftgröße unterschieden. Dort musste neu gewählt werden. „Die größere Schrift hat suggeriert, dass jemand Besonderes kandidiert“, so Mühlner. Den Fall Albers wollte er zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewerten. Zunächst müsse der Stahnsdorfer Stimmzettel rechtlich geprüft werden.

Die Wissenschaft hat sich mit der Größe von Schriftzeichen und deren Wirkung umfassend befasst. Laut einer Studie von Psychologen der Humboldt-Universität Berlin und der Uni Göttingen vom Mai 2012 erzielen gedruckte Wörter mit steigender Schriftgröße eine höhere Aufmerksamkeit: je größer die Buchstaben, desto größer die Emotionen beim Betrachter. Ein Effekt, den sich bekanntermaßen Zeitungen mit großen Schlagzeilen ebenso wie die Werbebranche zunutze machen.

Der neue Fraktionschef der Wählergruppe „Bürger für Bürger“, Gerold Maelzer, sieht jedoch keine Neuwahl auf die Stahnsdorfer zukommen. Es habe Gespräche mit allen Fraktionen der neu gewählten Gemeindevertretung gegeben: „Niemand hat Interesse an einer Neuwahl“, so Maelzer. Er selbst habe den Druckfehler gar nicht bemerkt. „Wenn mir das nicht jemand gesagt hätte, hätte ich das auf dem Stimmzettel nicht gesehen.“

Ein Versehen oder ein übler Psychotrick? Wie es zu der Panne kam, ist auch vier Wochen nach der Wahl unklar. Trotz mehrfacher PNN-Anfragen bleibt das Rathaus zugeknöpft: „Das ist nicht abschließend geklärt“, so Gemeindesprecher Stephan Reitzig. In offiziellen Mitteilungen war bislang lediglich die Rede davon, dass auf den Stimmzetteln „die Nennung eines Kandidaten in einem abweichenden Schriftgrad“ erfolgt sei. Dass es sich um den Bürgermeister handelt, blieb unausgesprochen.

Albers’ Stimmen stärken nun seine Hausmacht, die BfB hat sieben Sitze. Albers selbst hat sein Mandat nicht angenommen, er bleibt lieber Bürgermeister. „Das Wahlergebnis begreife ich als Auftrag der Stahnsdorfer, meine Arbeit fortzusetzen“, sagte er nach der Wahl.

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