Potsdam-Mittelmark: Bürgermeister, Lehrer und Kantor Erinnerung an Plessows Dorfältesten Knobloch
Werder (Havel) - Sein Leben war geprägt durch vier Systeme. Im dritten saß er aus politischen Gründen im Gefängnis, im vierten engagierte er sich auf dem Lande für ein besseres Leben.
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Werder (Havel) - Sein Leben war geprägt durch vier Systeme. Im dritten saß er aus politischen Gründen im Gefängnis, im vierten engagierte er sich auf dem Lande für ein besseres Leben. Karl Knobloch, ehemaliger Bürgermeister von Plessow, ist am 2. April vor 125 Jahren geboren. Seine Tochter Johanna-Luise Petzholtz verfasste kurz vor ihrem Tod in Werder Ende 2010 eine Abhandlung über sein Leben. Die Erinnerung fiel der 92-jährigen, geistig noch regsamen Dame nicht mehr ganz leicht. In der „Sorge, er könne als Initiator der Ersten Stunden in Vergessenheit geraten“, tat sie es trotzdem.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Karl Knobloch in Plessow Aufbauarbeit geleistet, die Freiwillige Feuerwehr trägt bis heute seinen Namen. Die dreiseitige Abhandlung von Johanna-Luise Petzholtz ist voller Fakten: Nach Kriegsende 1945 war ihr Vater demnach in Plessow maßgeblich an der Bekämpfung des Hungers und der Wiederherstellung der Infrastruktur beteiligt. „Er war als Lehrer und als Kantor in der evangelischen Gemeinde bei den Bewohnern sehr beliebt und wurde deshalb von ihnen als Dorfältester gewählt“, schrieb sie. Später wurde er von der Militärkommandantur als Bürgermeister bestätigt.
Es gab viel zu tun: Die Herbsternte musste wegen des Hungers beschleunigt werden. Der Schulunterricht für 150 Schüler, darunter viele aus Umsiedlerfamilien, war durch Schulleiter Knobloch zu organisieren. Im Oktober wurde das Bodenreformland an 400 Landnehmer übergeben und im März 1946 ein Laden eröffnet, Knobloch hatte dazu den Einzelhändler Aschendorff aus Pommern gewinnen können. Er mobilisierte die Bürger, warb Handwerker, um 1947 einen zweiten Klassenraum zu schaffen, eine Badestelle am Plessower See sowie einen Sport- und Festplatz zu bauen, alles neben der Tätigkeit als Lehrer und Kantor.
Der fachliche Arbeitsanteil als Bürgermeister ließ sich „durch verstärkte politische Aktionen immer schwerer durchführen“, wie sich seine Tochter erinnerte. „Zu seinem 65. Geburtstag gelang ihm der Ausstieg aus dem nun ungeliebten Amt. Er konnte sich auf Schule und Kirche konzentrieren.“ Auch im Kalender 1956, dem Todesjahr Karl Knoblochs, finden sich Termine über Termine von Schule, Gemeinderat und Kirchenmusik. Seine Frau Meta Knobloch war ihm als „gute Seele“ eine wichtige Stütze.
1886 war er als Sohn eines Lokomotivführers in Güsten (Anhalt) auf die Welt gekommen. Die Eltern zogen nach Berlin. Er wurde Lehrer, arbeitete – unterbrochen vom Militärdienst – in Gramzow (Uckermark) und Berlin-Niederschönhausen, gründete eine Familie und zog aufs Land nach Krahne bei Brandenburg. Als SPD-Mitglied versuchten ihn die Nazis nach 1933 aus dem Schuldienst zu entfernen, was die ihm zugetanen Dorfbewohner noch drei Jahre aufhalten konnten. „Die Braunen im Ort konstruierten dann einen kriminellen Vorwand zu seiner Beseitigung“, so Johanna-Luise Petzholtz. Eine Vereinskasse wurde in seiner Wohnung entwendet, seine Einbruchsanzeige zurückgewiesen und ein Strafprozess wegen Unterschlagung mit einer Verurteilung zu neun Monaten Haft durchgeführt. Mit dem Schuldienst war es danach vorbei, die Familie wohnte in einer Gartenlaube am Rande Brandenburgs. Karl Knobloch arbeitete als schlecht bezahlter Hilfsarbeiter. Erst als im Krieg die Lehrer rar wurden, konnte die Familie 1941 nach Plessow ins Schulhaus ziehen.
Dass man sich dort an Karl Knobloch erinnert, wünscht sich auch sein Enkelsohn Wilhelm Petzholtz, der den PNN die Aufzeichnungen seiner Mutter zur Verfügung stellte. Henry Klix
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