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Potsdam-Mittelmark: Chappy für den fremden Freund

Wie viel Amerika verträgt Deutschland? Vortrag der Adenauer-Stiftung mit Rüdiger Löwe in Caputh

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Wie viel Amerika verträgt Deutschland? Vortrag der Adenauer-Stiftung mit Rüdiger Löwe in Caputh Von Gerold Paul Schwielowsee · Caputh - Tierfutter für den US-Präsidenten! Niemand würde auf die Idee kommen, einem Präsidenten wie Blair oder dem Gourmet Chirac Chappy vorzusetzen. Doch Bill Clinton geschah derartiges im Jahre 2000: Zur Verleihung des Karls-Preises tischte man ihm heiße Blut- und Leberwurst auf, im Verständnis der US-Bürger Innereien, welche man nur als Futter für das liebe Hausgetier verwendet. Peinlich. Journalist Rüdiger Löwe, Amerika-Kenner und Duz-Freund vom liebestollen Bill, auf dem politischen Parkett beider Kontinente zu Hause, erzählte die Begebenheit kürzlich vor Hörern der Konrad-Adenauer-Stiftung in Caputh. Sein Vortrag galt der Frage, „Wie viel Amerika Deutschland“ vertrüge? Er kennt sich aus, lebte lange in den USA und düst auch jetzt mehrmals im Jahr nach „drüben“. Für ihn zeigt das Ding mit der Wurst, wie wenig die Europäer von der Lebensart der Amis wissen. Zusammen mit angeblichen Vorurteilen unterhöhle solches Ungeschick die transatlantische Freundschaft. Auch Schröder trat in den Fettnapf, als er den US-Präsidenten mit „lieber Bill“ ansprach. Dieser rächte sich, indem er die deutsche Regierungsmannschaft bei einem Empfang warten ließ. Er wolle erst seinem Freund Kohl einen Besuch abstatten. Solche Histörchen müssten nicht sein, so der Journalist vom Bayerischen Rundfunk, wenn die Kanzlerberater nur besser wären. Er kennt diese Leute aus der Nähe. Zum Wissen um den fremden Freund (der die Menschenrechte auch mit Gewalt in die Welt bringen will) gehört eben mehr. So fühlte jeder Ami das Drama des 11. September 01 ganz elementar. Seit dem Angriff der Briten 1814 wurde „Amerika“ nicht „von außen“ verletzt, was die öffentliche Akzeptanz der rasch verabschiedeten Notstandsgesetze genauso erklärt, wie die Tatsache, dass man derzeit Bush-kritische Bücher nicht kaufe. Jeder Polizist könne von der Straße weg verhaften: Allein im Staat New York verschwanden „vorübergehend“ etwa 1000 Ausländer im Gefängnis. Ungebrochen bleiben dabei Fortschrittsglaube und Sendungsbewusstsein „Amerikas“, welches mit Verfassung, Flagge und Präsident drei Dinge „heiligt“. Wer weiß schon, dass Reagan und G. W. Bush in Billy Graham denselben Wanderprediger als Lehrer hörten? Um „das Böse“ aus der Welt zu kriegen, lege Bush das Alte Testament „wörtlich“ aus. Das Neue mit Jesus ist bei den Überseeischen wohl noch nicht angekommen. Letztlich, so der Redner, wisse der alte Kontinent gar nicht, woran die USA in Europa interessiert seien – nicht an Werten („die kosten ja nichts“), sondern an Knowhow und an deutschem Kapital. Beim Irak-Krieg widerstand die Achse Paris-Berlin erstmals den USA, doch weil Bush erkannte, dass ohne Europa nichts geht, hob er die diplomatische Stille mit der Parole „Keine weiteren Friktionen mit den Deutschen“ wieder auf. Er bat Schröder sogar um Hilfe beim Wiederaufbau am Euphrat! Trotzdem ist, zum Leidwesen Löwes, nichts paletti: Ihn stört die politische Schwäche in der EU. Solange hier Uneinigkeit herrsche, sei es den Staaten leicht, die Länder Europas auszuspielen. „Man muss den USA auf konstruktive Weise ihre Grenzen zeigen“, und dort ihr Interesse erwecken, wo etwas zu holen ist. Das sei besser, als mit moralischem Zeigefinger auf den fremden Freund zu deuten. Sei Antiamerikanismus nicht „von Neid durchsetzter Groll“? Nicht alles ist Vorurteil: So lachte man sich „drüben schief“, als die Bundeswehr Transportflugzeuge für Afghanistan von Russland auslieh. Während man Genfood hier so skeptisch ansieht wie US-Bürger jeden Ausländer, feiert man es dort als Allheilmittel gegen den Welthunger. Solche Unterschiede bleiben, mithin die Umkehr des Themas: Wie viel Europa vertrüge eigentlich „Amerika“?

Gerold Paul

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